SPD: Hauptstadt, Hauptstadt, Hauptstadt...

■ Parteitag der Westberliner SPD im ICC: Momper und Schwierzina sind sich wie immer einig: Berlin als symbolische Hauptstadt reicht nicht - Kanzler, Bundespräsident, Bundesrat, Ministerien und Konzernspitzen müssen her / Für Aufregung sorgte nur Werbematerial der Konkurrenz

Charlottenburg. Die Westberliner SPD hat den Bundestag und die Volkskammer aufgefordert, sich auf Berlin als künftige Hauptstadt eines vereinten Deutschlands verfassungsmäßig festzulegen. Ein entsprechender Antrag, der auf dem außerordentlichen Landesparteitag der Sozialdemokraten im Internationalen Congress Centrum (ICC) am vergangenen Sonnabend zur Abstimmung vorlag, wurde nahezu einstimmig angenommen. Außerdem stimmten alle SPD-DelegiertInnen einem Antrag zu, in dem der Senat und die Fraktion aufgefordert wird, eine gesamteuropäische Orientierung der Stadt politisch, stadtplanerisch, organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Mit Vorrang sei anzustreben, daß Berlin mit der neu zu schaffenden internationalen Behörde für Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der Europäischen Umweltagentur ausgestattet werde.

In einem Grundsatzreferat sprach sich SPD-Chef Walter Momper für Berlin als „richtige Hauptstadt“ mit Kanzler, Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Ministerien aus. Mit einigen symbolischen Sitzungen sei es nicht getan. Mit Berlin als Hauptstadt würde sich die DDR bei dem Vereinigungsprozeß sichtbar wiederfinden, meinte Momper. Das wäre bei anderen Städten nicht der Fall. Als zweites Hauptargument nannte der Regierende den wirtschaftlichen und finanziellen Aspekt: Berlin könne nur zur „wirtschaftlichen Lokomotive“ für die Mark Brandenburg werden, wenn die abgewanderten Konzernspitzen und viele andere Dienstleistungsanbieter wieder an die Spree zögen.

Die SPD-Mitglieder rief er dazu auf, sich an einer vom Senat gestarteten Initiative für Berlin als Hauptstadt zu beteiligen. „Das ist die Zukunftsfrage für unsere Stadt“, meinte Momper auch im Hinblick auf die langfristig wegfallende Berlinförderung durch den Bund. Diese Förderung könne nur in dem Tempo wegfallen, in dem sich die Wirtschaft in Berlin und im Umland normalisiert habe und das Steueraufkommen wachse, forderte er.

Als Gastredner setzte sich auch der Ostberliner SPD -Oberbürgermeisterkandidat Tino Schwierzina für Berlin als Hauptstadt nach der Vereinigung ein. Dies wäre nach seinen Worten ein Signal an die DDR-Bürger, daß das Zusammenwachsen tatsächlich partnerschaftlich und gleichberechtigt verlaufe. Ein solches Signal wäre mehr wert, „als das ständige Zücken und Wedeln mit den Geldbörsen in Bonn“, meinte die Gallionsfigur der Schwesterpartei. Schwierzina appelierte in seiner Rede abermals an das Bündnis90, sich an der Regierungsbildung in Ost-Berlin zu beteiligen. Auch Momper ging in seinem Referat auf die Koalitionsverhandlungen ein und forderte das Bündnis90 auf, „sich nicht zu verweigern“. Die „Helden der Demokratiebewegung“ dürften nun nicht in die Situation kommen, zusammen mit der PDS gegen den „ersten demokratisch gewählten Magistrat Opposition zu betreiben“.

Die einzige Aufregung während des eher phlegmatischen Parteitags gab es, als sich herausstellte, daß auf den Tischen der Delegierten Aufkleber der CDU verteilt worden waren. Auf schwarz-rot-goldenem Hintergrund hieß es da: „Berlin - Hauptstadt Deutschlands.“ Wie die Aufkleber auf die Tische gelangt waren, ließ sich nicht mehr ermitteln. Nachdem sich zwei Redner darüber aufgeregt hatten, sammelten die Jusos das Werbematerial der Konkurrenz wieder ein.

ccm