: Diestel für starken Polizeiapparat
■ Der Minister rechnet mit massiven sozialen Spannungen / Technische BRD-Hilfe für 44 Millionen
Berlin (taz) - Innenminister Peter-Michael Diestel rechnet mit „2,5 bis vier Millionen Arbeitslosen“ in der DDR. Deshalb sei es wichtig, „einen gut funktionierenden Polizeiapparat zu haben“. Das Zitat legt der 'Spiegel‘ dem DSU-Mann in den Mund. „Sofortmaßnahmen“ heißt danach der Wunsch des Ministers und meint die Lieferung von 900 Polizeipistolen „Walther P5“. Darüber hinaus soll der Minister bei der ersten deutsch-deutschen Innenminsterkonferenz am 5.Mai in Ost-Berlin um 250 bundesdeutsche Maschinenpistolen mit „Dioptervisier“ der Firma Heckler&Koch gebeten haben - „möglichst schnell“.
Die Personalstärke der Volkspolizei bleibt derweil unter Diestels Regie unverändert. In einem Radiointerview warnte er vor einer Eskalation der Gewalt: „Unser Land befindet sich in einer katastrophalen ökonomischen und einer sehr widersprüchlichen politischen Situation.“ Gebraucht werde „ein selbstbewußter, starker, auch zahlreicher Polizeiapparat“, damit die „Widersprüche nicht in Gewalt und Terror eskalieren“. Erst bei einem ähnlichen Wohlstand wie in der Bundesrepublik könne die Polizeistärke abgebaut werden. Da dem noch nicht ist, erachtet der Minister die Lieferung von 8.000 durchsichtigen Schutzschilden an die Polizei als notwendig. „Dringenden Bedarf“ meldete er auch für Überwachungsaufgaben an: 230 Videoanlagen und 300 Handfunksprechgeräten „für Personenschutz, Anti-Terrorkräfte und ähnliche Einheiten“. 44 Millionen Mark soll das Paket kosten.
Ehemalige Stasi-Mitarbeiter bleiben für Diestel unverzichtbar: „Diese Männer können schießen, diese Männer sind sehr diszipliniert (...) diese Männer sind phantastisch ausgebildet.“ Forderungen aus der Bundesrepublik nach einem „Großreinemachen“ in seinem Ressort wies er als „Dummheit“ zurück. Er formulierte: „Ich mach's doch nicht mit Leuten von gestern. Das sind neue Leute. Es sind nur die gleichen Körper geblieben. In den Köpfen hat sich viel geändert.“ 150.000 Entlassungen und entsprechende Neueinstellungen müßten zur „Anarchie in diesem Lande“ führen.
In wieder einem anderen Interview nannte der schwarze Peter die frühere SED-Spitze mit der Ausnahme von Günter Mittag verhandlungs- und strafunfähig. Über den Ex-Staatschef Honecker sagte er zur 'Welt am Sonntag‘: „Ich muß einfach akzeptieren, daß ein schwer kranker, 77 Jahre alter, körperlich gebrechlicher Mann nicht einem strafrechtlichen Verfahren zugeführt werden kann.“ Wenn der frührere Minister für Staatssicherheit Erich Mielke und der ehemalige ZK -Sekretär Hermann Axen „jetzt in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand sind, dann muß man auch das akzeptieren“.
Wolfgang Gast
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