SPD will „Walter“ nicht verärgern

Der Hauptstadt-SPD fehlen genau fünf Abgeordnete um mit Bündnis 90 und Grünen zu regieren  ■  Aus Berlin C.C. Malzahn

Der SPD-Funktionär rechnete und rechnete, nahm das Ergebnis mit bitterer Miene zur Kenntnis und verschwand fluchend aufs Klo. Was ihm auf der Wahlparty der Ostberliner SPD im Kreiskulturhaus Weißensee so auf die Blase schlug, war die Tatsache, daß Bündnis 90, Grüne und Sozialdemokraten die halbe Hauptstadt nicht allein regieren können: Den drei Gruppen fehlen genau fünf Abgeordnete zur absoluten Mehrheit.

Obwohl sich die Sozialdemokraten in ihren offiziellen Erklärungen zu möglichen Bündnispartnern während der Wahlkampfzeit eher zurückhaltend geäußert hatten, sehnte sich der Bezirksvorstand und der Spitzenkandidat Tino Schwierzina nach einer rot-grünen Mehrheit für Ost-Berlin. Und dies schon allein dehalb, um „Walter keinen Ärger zu machen“. Tino Schwierzinas Parole lautet: „Wenn's ohne die Schwarzen reicht, dann machen wir das so.“

Nun reichte es nicht, und Schwierzina war in Not. Bärbel Bohley, Spitzenkandidatin der Bürgerrechtsliste, machte am Montag nach der Kommunalwahl deutlich, daß sie „gerne mit der SPD, aber niemals mit der dreimal gewendeten CDU“ eine Stadtregierung bilden wolle.

Die Revolutionärin fackelte auch hier nicht lange und schlug den Sozis vor, „mutig und kämpferisch“ zu sein und einen Minderheitsmagistrat zu bilden.

Doch für diesen Vorschlag ernteten die Bürgerrechtler bei den Sozialdemokraten nur ein müdes Lächeln. Das ginge „leider nicht“, erklärte Schwierzina, man brauche in Berlin eine breite parlamentarische Mehrheit, „um die auf die Stadt zukommenden großen Probleme lösen zu können.“

Mit einer gewagten Verhandlungsstrategie versucht Schwierzina nun zusammenzuschweißen, was eigentlich nicht zusammengehört. Nach den Sondierungsgesprächen mit dem Bündnis 90 in der vergangenen Woche betonte er stets die „große inhaltliche Übereinstimmung“ zwischen Bürgerrechtlern und Sozialdemokraten.

Tatsächlich findet man in den Forderungskatalogen, die sich Bündnis 90 und Sozis gegenseitig unter die Nase halten, keine Sollbruchstellen. Vom ökologischen Stadtumbau bis hin zur Festschreibung basisdemokratischer Elemente in die neu zu schreibende Ostberliner Verfassung gebe es „keine Probleme“, betonen Vertreter beider Seiten.

Schwierzinas Hauptargument gegen den Minderheitsmagistrat während der nichtöffentlichen Verhandlungen: „Wollt ihr wirklich von der PDS toleriert werden?“ Betretenes Schweigen.

Bei soviel Lobeshymnen und inhaltlichem Konsens wird das Problem CDU für das Bündnis offensichtlich immer kleiner. Denn trotz der klaren Aussage von Schwierzina über die „breite Mehrheit“ sind die Bürgerrechtler nun in reguläre Koalitionsverhandlungen eingestiegen. Die CDU sitzt zwar nicht mit am Tisch - die Sozialdemokraten verhandeln mit den Konservativen aber parallel.

Bis morgen sollen zwei Pakete geschnürt werden. Daß die beiden Regierungsprogrammentwürfe - rot-grün und rot-schwarz - sehr unterschiedlich ausfallen werden, ist unwahrscheinlich. Denn die Christdemokraten - mit einem mageren Ergebnis von 18,36 Prozent sehr kleinlaut schlucken so ziemlich alles, was die Sozis ihnen servieren.

Selbst das kommunale Ausländerwahlrecht und die Mietpreisbindung waren für die CDU-Delegierten kein Streitpunkt. „Wenn wir denen ein Bekenntnisschreiben für den Sozialismus hingelegt hätten, hätten die das auch noch unterschrieben“, meint ein Mitglied der SPD -Verhandlungskommission teils verwundert, teils amüsiert.

Je fortschrittlicher das CDU-SPD Programm ausfällt, desto größere Probleme bekommt das Bündnis mit seinem Nein zur ganz großen Koalition. Schwierzina zur taz: „So einfach laß ich die nicht laufen.“ Seiner Idee, sich eine schwarz-rot -grüne Koalition zusammenzubasteln, ist er in den vergangenen Tagen tatsächlich etwas näher gekommen.

Denn die Vertreter des Bündnisses begründen ihre ablehnende Haltung gegenüber der CDU nun nicht mehr mit einem Anfall von Ekel („Wendehälse! Blockflöten!“) sondern sachlich -inhaltlich. Sie könne sich einfach nicht vorstellen, mit denen auf einen Nenner zu kommen, erklärte Bärbel Bohley am vergangenen Freitag.

Falls doch - ist dann die Koalition denkbar? Die Frage stelle sich nicht, antwortete Bohley profimäßig, „bisher haben wir von der Basis nur den Auftrag, mit der SPD zu verhandeln.“