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Meryl Streep im Tränenreich

(Eine demanzipierte Frau, RTL plus, 22.50 Uhr) Von geradezu geschichtsträchtiger Blödheit war die Eindeutschung des Filmtitels Plenty zu Eine demanzipierte Frau. Damit umschrieb der deutsche Filmverleih die von Meryl Streep verkörperte Figur einer heillosen Romantikerin, die sich in der britischen Nachkriegsgesellschaft nicht zurechtfindet. Sie flüchtet sich in Ehen und Affären; leidenschaftliche Gefühlsausbrüche und desillusionierende Erfahrungen bestimmen ihr Leben, bis sie den idealisierten Geliebten aus den Kriegstagen wiederfindet - und auch von ihm enttäuscht wird. Der Stoff des britischen Dramatikers und Regisseurs David Hare (Wetherby), der selbst das Bühnenstück zu einem Drehbuch umschrieb, ist wie geschaffen für die Aktrice Meryl Streep. Hier kann sie sich wieder einmal, Tränensack und Asche vor sich hertragend, hineinknien in eine Charakterrolle mit herrlich infernalischen Mord- und Selbstmorddrohungen, gewitterähnlichen Gefühlsausbrüchen und emphatischer Psychodramatik nebst tränenreich -atemberaubender Depressionsmimik samt schwerstem Selbstbezichtigungsoutput. Manche Leute halten solches Outrieren für hohe Schauspielkunst. Für die ist heute Feiertag.

H.K.

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