„Wieder mal ausgeschmiert“

Italienische Regierung gibt die Lira frei  ■ MIT DER LIRA AUF DU UND DU

Rom (taz) - „Wir sind nun“, so die industrienahe 'La Stampa‘, „endlich Europabürger erster Klasse.“ Auch 'la Repubblica‘ ist froh: „Die freie Konvertierbarkeit des wirtschaftlichen Notstandes.“ Der staatliche Rundfunk RAI wertet alles als „Zeichen der uneingeschränkten Gesundheit unserer Währung“: Mit der Wiedereinführung der unbeschränkten Konvertierbarkeit der Lira hat Italiens Regierung, eigener Angabe zufolge, „nun die letzte Barriere für 1992 aus dem Weg geräumt“.

Tatsächlich hatte Italien - seit dem Wirtschaftsaufschwung der 50er Jahre in den späten 60ern ein starker Inflationsschub, Handelsdefizite und Massenarbeitslosigkeit gefolgt waren - den Umtausch der nationalen Währung sehr restriktiv gehandhabt. Mitunter durfte, wer ein- oder ausreiste, nur noch 200.000 Lire, umgerechnet an die 300 DM, mitbringen. In den letzten Jahren wurde die Obergrenze schrittweise gelockert, man nahm es nicht mehr so genau mit den eigentlich vorgeschriebenen Anträgen, doch zur endgültigen Freigabe zwang erst die Perspektive von 1992.

Daß Italiens Bürger dennoch - im Gegensatz zum Ausland, das von der Konvertierbarkeit uneingeschränkt profitiert - nicht sonderlich glücklich über ihre nun jederzeit umtauschbare Währung sind, hängt mit einer Klausel zusammen, an die sich die ans Mauscheln und Hinterziehen gewöhnten ItalienerInnen nur schwer anpassen können: wer Transaktionen über 20 Millionen Lire (ca. 27.000 DM) hinaus tätigt - und zwar auf der eigenen Einkommenssteuererklärung. Das bedeutet, daß der Zahlungsverkehr mit dem Ausland „personalisiert“ wird - wo die Italiener bisher immer lieber mit Bargeldkoffer gereist oder sogenannte „libretti al portatore“ (nichtpersonenbezogene Sparbücher) beziehungsweise auf Banken (nicht auf sie selbst) bezogene beglaubigte Schecks präsentiert hatten. Die Deklarationspflicht, murrt trübe der 'Corriere della sera‘, „zeigt, daß unsere Regierenden wieder mal europäisches Lob einheimsen, die Lasten aber auf den Rücken der italienischen Wirtschaft abwälzen.“ Fazit: „Sie haben uns wieder mal ausgeschmiert.“

Für bestimmte Kreise sicher: denn wer bisher größere Beträge ins Ausland schmuggeln oder harte Währung eintauschen wollte, kannte entsprechende Kanäle zuhauf. Wie genau die Regierung darüber Bescheid weiß, zeigt die Tatsache, daß flankierend zur Valutafreigabe nun nicht nur eine Amnestie für Währungssünder verkündet wurde, sondern daß der Finanzminister auch schon auf die Lira genau angeben konnte, wieviel Geld dem italienischen Fiskus durch die Amnestie verloren wird.

Werner Raith