„Philippinische Nationalinteressen gehen vor“

Am Montag begannen in Manila die Verhandlungen über den Verbleib der US-Army im Lande / Ein für zwei US-Soldaten tödliches Attentat mutmaßlicher kommunistischer Guerilleros und massive Straßenproteste begleiten Konsultationen / Philippinische Position noch unklar  ■  Aus Tokio Georg Blume

Unter heftigen Straßenprotesten und im Schatten eines tödlichen Attentats auf zwei US-Soldaten begannen am Montag in Manila die Verhandlungen über den Verbleib der US -Militärs auf den philippinischen Inseln. Eine Spezialeinheit von fünfzehnhundert Polizisten, die Staatspräsidentin Corazon Aquino am Wochenende in der Hauptstadt aufstellen ließ, reichte nicht aus, um Demonstrationen zu verhindern. In der Nacht zum Montag schossen mutmaßliche kommunistische Guerilleros auf zwei US -Soldaten außerhalb der Clark-Air-base. Beide wurden tödlich verletzt.

Sie sind vermutlich nicht die letzten Opfer am Rande eines Verhandlungsweges, der als schwierig und ungewiß gilt. Bereits am Montag zeigten sich die in der Vorlaufzeit verhärteten Positionen beider Seiten. US-Verhandlungsleiter Richard Armitage unterstrich die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, ihre Truppen völlig abzuziehen, „wenn das die Philippinen wirklich wollen“. Sein philippinischer Verhandlungspartner, Außenminister Raul Manglapus, warf den USA am ersten Verhandlungstag vor, versprochene Wirtschaftshilfen an sein Land nicht vollständig gezahlt zu haben. Freilich hatte es sich Staatspräsidentin Aquino schon am Sonntag nicht nehmen lassen, die Grundsatzposition ihrer Regierung zumindest dem Schein nach klarzustellen.

„Für uns gehen bei diesen Verhandlungen die Nationalinteressen allen anderen voraus“, sagte Aquino am Sonntag in einer Fernsehansprache. Sie versprach vor allem, verfassungstreu zu handeln. Die neue Verfassung der Philippinen von 1987 verlangt nämlich einen Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten, falls US-amerikanische Soldaten nach Auslaufen des bisherigen Abkommens im September 1991 weiterhin stationiert sein sollen. Dieser Staatsvertrag muß verfassungsgemäß vom philippinischen Senat mit einer Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden - das ist jene Parlamentskammer, dessen Mehrheit sich noch im vergangenen Jahr gegen den Verbleib der US-Militärs aussprach.

Alle Möglichkeiten stehen dennoch offen. Mal ist in Manila von Übergangslösungen bis zum Jahr 2000 die Rede, mal interessiert sich die Regierung für einen Privatisierungsplan der US-Werften, mal werden neue Kompensationszahlungen von den USA gefordert. Welches Ziel tatsächlich angestrebt wird, darauf will sich die philippinische Regierung derzeit noch nicht festlegen lassen. Niemand glaubt ernsthaft, Aquino wolle die US-Marine verjagen. Doch ist man unsicher, wieweit die US-Interessen heute noch reichen. Schon murrt der US-Kongreß. Die Lobbyisten der US-Marine haben in Washington alle Hände voll zu tun. Da fällt es den kommunistischen Guerilleros der „Nationalen Volksarmee“ nicht schwer, mit Attentaten zusätzliche Verwirrung zu stiften.