TEILZEITBEREIT

■ Ein Gespräch mit Peter Grottian über Männer und wie sie sich nicht bewegen

„Was haben die Männer von der Frauenbewegung gelernt?“ fragte der Politikprofessor und bewegte Mann Peter Grottian am vergangenen Freitag in einem Seminar der Volkshochschule Steglitz. Ganze zwei Interessierte kamen: ein etwa 60jähriger Mann, nach Selbstauskunft „Frauenforscher“, seit er durch den Verlust der Mutter mit drei Jahren traumatisiert wurde, und eine etwa 40jährige Frau, „im persönlichen Umfeld frauenbewegt“, die sich dafür interessierte, „was die Männer selbst zu sagen haben“. Nachdem die Seminaristen eine Stunde diskutiert hatten, sprach die taz mit Peter Grottian.

taz: Hatten Sie sich die Resonanz auf dieses Seminar so deprimierend vorgestellt?

Grottian: Na ja. Ich bin davon ausgegangen, daß bei einem Volkshochschulseminar zu diesem Thema etwa acht bis zwölf Leute kommen. Von dieser Erwartung ausgehend ist die Differenz zu den zweien, die gekommen sind ja nicht so dramatisch. Auch bei anderen Veranstaltungen zum Thema Mann ist es meist so, daß nur sehr, sehr wenige kommen - und dann auch noch oft mehrheitlich Frauen. Das zeigt, daß der Leidensdruck der Männer, sich mit ihrer Rolle, mit sich selbst und ihrer Arbeit und der Frage der Macht und der Gewalt auseinanderzusetzen, sehr gering ist.

Worüber haben sie denn mit den beiden diskutiert?

Wir haben ein bißchen versucht, uns darüber zu verständigen, was da bei den Männern ins Rutschen kommt, wenn sie die Erwerbs- und Machtfixierung zurücknehmen. Was die Männer dafür geboten bekommen - Haus- und Erziehungsarbeit - das ist ja nicht so attraktiv. Das ist auch für diejenigen ambivalent, die gut ausgebildet sind. Über dem, was sie tun, liegt Faszination und Ekel zugleich. Noch überwiegt die Faszination und der Ekel wird sorgsam eingemauert. Wenn man hier den Fuß mal in die Tür kriegte, könnte das einiges an Aufbruch bringen.

Wieso machen Sie überhaupt so ein Seminar?

Mir ist vor acht bis neun Jahren klar geworden, daß sich in der Beziehung zwischen Männern und Frauen gesellschaftspolitisch und auf der individuellen Ebene nur dann etwas ändern kann, wenn mehr Männer ihre eigenen Geschlechtsgenossen in die Diskussion über ihre Rolle verwickeln. Die Frauen haben genug gemacht und machen genug, die Männer müssen aber sehr viel mehr untereinander machen. Da geschieht nach wie vor ungeheuer wenig. Das was sich Männerbewegung nennt und sich in Gruppen organisiert hat, sind höchstens 2.000 Männer bundesweit, sehr wohlwollend geschätzt. Als neue soziale Bewegung jedenfalls spielen die Männer keine Rolle.

Würden Sie sich selbst als bewegter Mann bezeichnen?

Ja, würde ich schon tun.

Worin besteht die Bewegung?

Zum einen darin, daß ich - allerdings mit erheblichen Brüchen - versuche, meine eigene Erwerbsfixiertheit als Hochschullehrer zu relativieren, indem ich teilzeitarbeite. Das ist ein kleines Zeichen, ich will das gar nicht überbewerten. Es ist zumindest ein Versuch, eine gesellschaftlich relativ positiv bewertete berufliche Position auf eine andere Art und Weise auszufüllen, als das normalerweise der Fall ist. Egal ob in Politik, Verwaltung oder Wirtschaft: mit der Teilzeitarbeit gerade in gehobenen Positionen könnte man zeigen, daß eine andere Arbeitsteilung auch zwischen Frauen und Männern möglich ist. Damit ließe sich auch ein neues Bild in der Gesellschaft schaffen davon, wie herausgehobene Positionen anders ausgefüllt werden können, wie anders mit Macht umgegegangen werden kann. So versuche ich dann eben auch im Rahmen meiner Arbeit an der Uni, Modelle für Männer- oder Frauenförderpläne und zur Teilung von Führungspositionen oder zur Selbstqotierung von Wissenschaftlern mitzuentwickeln.

Wie funktioniert die Teilzeitarbeit konkret?

Das sind zwei Jahre Vollarbeit und ein Jahr frei. Dadurch, daß die Routinearbeit dann wegfällt, kann ich mehr politische Aktivitäten machen, mehr für mich persönlich tun. Mal nicht den ganzen Wissenschaftsprozeß weiterverfolgen und garantiert kein Buch schreiben. Das wichtigste ist, mal auf Distanz zu gehen. Ob man unter der Palme liegt, Kinder hütet oder was anderes tut, finde ich nicht so wichtig.

Klingt fast wie ein Auffrischungsprogramm, damit man im Job wieder besser funktioniert.

Nein, es geht ja um das Ausprobieren, um neue Erfahrungen aus der Distanz. Wenn es nur um das Gewinnen neuer Kreativität ginge, wäre das zu wenig, das wäre ein verstecktes Leistungsargument.

Ein Jahr aussteigen - was soll sich dadurch in der Männerrolle verändern?

Natürlich fällt es schwer, wenn man in seiner Arbeit engagiert ist, zum Beispiel Studenten zu sagen: Nein, Examen machen geht bei mir jetzt nicht. Oder auch bei politischen Veranstaltungen mal nein zu sagen. Das fällt schwer, weil Männer ja eine ganz besondere Art von Unentbehrlichkeitswahn entwickeln.

Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, der regelmäßig die psychosoziale Selbstauffassung der Bevölkerung untersucht, hat gesagt, bei den Männern tue sich nicht mehr viel.

Ich teile diese Sichtweise nicht. Ich finde schon, daß die Frauen es geschafft haben, einen Teil der Männer in die Auseinandersetzung, in die Geschlechterdiskussion zu verwickeln. Die Männer müssen sich dem heute stellen. Fakt ist aber, und da hat der Horst-Eberhard Richter sicher Recht, daß nämlich an Verhaltensänderung so gut wie nichts geschehen ist. Wenn es an die Knackpunkte kommt, Macht und Einfluß abzugeben, Erwerbsarbeit zu reduzieren und Belastungen durch Haushalt und Kinder zu teilen, dann passiert wenig.

Für das Soziale, das Lebendige und Emotionale sind ja traditionell die Frauen zuständig.

Natürlich ist das weiter die Aufteilung. Aber spannend finde ich auch die Frage, welche Komplizenschaften es hier gibt. Also nicht nur, wie sichern Männer ihre Macht und halten sich sonst heraus, sondern auch: wie wird das systematisch auch von Frauen gestützt, daß die Männer sich eben nicht ändern.

Aber die Männer verlassen sich doch sowieso viel zu sehr auf die Frauen und reagieren bloß. Herrscht nicht ansonsten eher die große Weinerlichkeit über die Rollenkrise vor?

Auf den bundesdeutschen Männergruppentreffen sind primär Leute dabei, die ihre Beziehungswunden lecken. Erstmal ist das ja nichts schlechtes. Aber interessant wird's ja immer dann - und bei den Frauen stand das ja genauso an - wenn die persönlichen Konflikte in Arbeits- und Reflektionsprozesse und politische Zuspitzungen umgesetzt werden sollen. Bei den Männer ist dann sofort Ende. Etwa der Frage des Paragraphen 218, wo den Frauen ständig der Vorwurf des Mordes gemacht wird, stellen sich die Männer nicht. Die Männer stehen eben nur so lange unter Leidensdruck, wie ihre Beziehungskrise dauert. Wenn die neu geregelt ist, dann ist die Aktivität am Ende. Natürlich kommen zu den Männergruppentreffen auch schon mal 300 Männer hin und beschäftigen sich in Arbeitsgruppen mit Sexualität, Trennungsängsten und so weiter, reden engagiert, verständigen sich. Aber wenn es um das konkrete Erarbeiten geht, ist nach zwei Sitzungen in aller Regel Ende.

Auf welchen Ebenen passiert denn momentan überhaupt etwas?

Ob mehr passiert in Betrieben, Universitäten der Wirtschaft oder der Politik, oder ob mehr Auseinandersetzungen in Küchen, Schlaf- oder Wohnzimmern laufen, weiß ich nicht genau. Momentan habe ich allerdings gerade bei den jüngeren Leuten den Eindruck, daß die persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen wichtiger sind, als die Frage von Quotenregelungen für Großbetriebe. Die öffentliche Diskussion jedenfalls ist rhetorisch geworden, und in der Realität - beispielsweise bei der Erhöhung der Anzahl von Frauen im Mittelbau der Unis und in den Führungsetagen der Unternehmen - passiert fast nichts.

Also doch nichts aus der Frauenbewegung gelernt?

Die Männer haben immerhin gelernt, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, die ihnen die Frauen auf den Tisch gelegt haben. Brauchen die Männer vielleicht noch mehr Druck von den Frauen?

Männer unter Männern müssen sich über das Ende des männlichen Komplotts auseinandersetzen. Zwar muß auch der Druck der Frauen steigen, aber natürlich nicht in Richtung einer Therapierung der Männer.

Interview: kotte