Gericht macht aus renoviertem Altbau „Neubau“

■ Oberverwaltungsgericht erklärt nach 1984 modernisierten Wohnraum zu Neubauten / Höhere Mieten nach Neubaumietrecht zu erwarten

West-Berlin. Ein teures Erwachen gibt es möglicherweise für Tausende von Mietern modernisierter Wohnungen: Das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) entschied, daß Altbau, der nach 1984 umfassend modernisiert wurde, rechtlich als Neubau anzusehen ist. Das heißt, diese Mieten werden sich künftig nach dem Neubaumietrecht richten. Die Mieter müssen tiefer in die Tasche greifen. Das Urteil wurde schon Ende letzten Jahres gefällt, aber erst Anfang dieses Monats wurde die Revision dagegen vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Damit ist das Urteil nun rechtskräftig und bindend.

Betroffen davon sind alle Mieter, die im Altbau wohnen, der ab dem Jahr 1984 erneuert wurde und vorher weder Bad noch eine Waschgelegenheit im WC noch eine Zentralheizung besaß. Denn seit 1984, so das OVG, gehöre so etwas zum allgemeinen Wohnstandard. Außerdem müsse der Eigentümer mindestens ein Drittel der vergleichbaren Naubaukosten in die Modernisierung von Bad und Heizung gesteckt haben. Das sind derzeit um die Tausend Mark pro Quadratmeter. Im Neubau gilt die Kappungsgrenze von fünf Prozent nicht, da darf der Vermieter alle drei Jahre dreißig Prozent mehr Miete nehmen. Der Mietzins bei Neuvermietungen ist völlig frei vereinbar, während er im Altbau auf zehn Prozent Zuschlag zur vorherigen Miete begrenzt ist.

Das Urteil erklagte sich ein Eigentümer, der seinen modernisierten Altbau vom Land Berlin als steuerbegünstigt anerkannt haben wollte. Dies gelang ihm erst nach einem langjährigen Instanzenweg bis hin vor das OVG. Dessen Urteil bindet, wie bei Verwaltungsgerichten üblich, freilich nur die Behörden. Ein Vermieter, der daraufhin einem Mieter eine 30prozentige Mieterhöhung ins Haus schickt, wird erst einmal eine Auseinandersetzung vor einem Zivilgericht führen müssen. Und sowohl Amtsgerichte wie auch Landgerichte hatten solche Fälle bislang als Altbau anerkannt. Aber das kann sich ja ändern. Denn Grundlage für die Gerichtsentscheidung ist, wie hoch der Anteil der Wohnungen in Berlin ist, die Bad und Zentralheizung haben. Und das werden von Jahr zu Jahr mehr.

„Ein Gespenst geht um beim Senator für Bau- und Wohnungswesen“, freut sich denn auch die Fachzeitschrift 'Grundeigentum‘ über das für Hausbesitzer profitbringende Urteil. „Wir haben auch erst einen Schreck gekriegt“, räumt Referatsleiter Schmidt von der Senatsbauverwaltung ein. Auswirken werde sich das Urteil aber nur mittelfristig. Denn die neue Rechtslage gilt für alle Wohnungen, die mit öffentlichen Geldern im Rahmen sogenannter umfassender Maßnahmen modernisiert wurden. Da bestehen Verträge über zehn Jahre Mietbindung, länger aber nicht. „Jedes Jahr fördern wir etwa 2.000 Wohnungen auf diese Art und Weise und genauso viele fallen also zehn Jahre später pro Jahr aus der Bindung heraus“, meinte Schmidt.

Als Neubau können potentiell auch alle Wohnungen gelten, die seit 1984 privat modernisiert worden sind. „Aber die Eigentümer haben da in der Regel weniger als ein Drittel vergleichbarer Neubaukosten hineingesteckt. Außerdem nehmen die unseriösen Hausbesitzer sowieso schon soviel Miete, wie der Markt hergibt, ohne Rücksicht auf die Rechtslage. Die haben kaum noch Mieterhöhungsmöglichkeiten“, meint Schmidt. Vorsichtshalber jedenfalls verwies er auf die laufende Mietrechtsinitiative seines Bausenators Nagel. „Wenn die in Bonn durchgesetzt wird, werden Altbau und Neubau rechtlich gleichgesetzt werden“, meint er.

Eva Schweitzer