„Es wäre fatal, den Druck jetzt aufzugeben“

Barbara Simons, Südafrika-Sprecherin der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament, war gerade am Kap  ■ I N T E R V I E W

Heute wird der südafrikanische Präsident de Klerk im Rahmen seiner Europareise in Brüssel erwartet und wahrscheinlich auch von EG-Kommissionspräsident Delors empfangen. Eine günstige Gelegenheit mehr für den schon „Gorbatschow am Kap“ Getauften, die Aufhebung der EG -Wirtschaftssanktionen zu fordern. De Klerk wird am 21.Mai auch in Bonn erwartet.

taz: Sie haben bei Ihrem Besuch in Südafrika Nelson Mandela getroffen. Wie wird es nach seinen Gesprächen mit de Klerk weitergehen?

Barbara Simons: Mandela sagt: „Wir wollen wirklich ernsthaft verhandeln, wir sind auch bereit, bestimmte Kompromisse einzugehen. Bedingung dafür ist aber, daß alle Apartheidgesetze abgeschafft sind und daß es eine neue, gerechte Verfassung gibt, die allen Südafrikaner gleiche Rechte einräumt.“ Verbal hat die Regierung den ANC -Forderungen inzwischen zugestimmt. Kompromißbereitschaft deutet der ANC hauptsächlich bei der Ausgestaltung einer neuen Wirtschaftordnung an. Zur Nationalisierung gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Ich denke, es läuft auf eine gemischte Wirtschaftsordnung hinaus.

Südafrika ist doch heute schon ein zum großen Teil von Staatsmonopolen kontrolliertes Land.

Der ANC will das alles abschaffen. Es kann ja nicht sein, daß es einige große Monopole gibt, die die ganze Wirtschaft beherrschen. Man will eine lebendige Wirtschaft, die auch kleinen Unternehmen eine Chance gibt. Doch gerade in dieser Frage scheint mir der Widerstand de Klerks besonders groß zu sein.

De Klerk befindet sich auf einer Goodwilltour durch Europa. Wird die EG beim Europa-Gipfel Ende Juni ihre Sanktionen aufheben?

Die Gefahr sehe ich. Deswegen kommt auch Mandela Anfang Juni nach Europa. Mandela betont immer wieder, daß Sanktionen beibehalten werden müssen. Es wäre ein fataler Irrtum, wenn man zu diesem Zeitpunkt den Druck auf die südafrikanische Regierung aufgäbe. De Klerk hat bislang nur versprochen, etwas zu tun. Kein Mensch weiß ja, ob er das nachher auch hält. Das Ziel der Sanktionen ist doch, daß die Apartheid überwunden wird, und niemand könnte behaupten, daß das bis jetzt auch nur sichtbar würde. Außerdem wären die südafrikanischen Gewerkschaften und der ANC die ersten, die die Aufhebung der Sanktionen fordern, wenn ihre Bedingungen erfüllt sind und eine Abschaffung der Apartheid unumkehrbar ist. Denn Südafrika ist ein Entwicklungsland, das westliche Hilfe dringend braucht. Die Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands ist dann die große Aufgabe.

Wie steht es um den Alleinvertretungsanspruch des ANC bei den Verhandlungen?

Die südafrikanische Regierung möchte es so darstellen, als sei der ANC eine Gruppe unter anderen. Mandela vertritt jedoch die Position - und das hat er mir wörtlich gesagt: „Nicht aus taktischen Gründen, sondern prinzipiell verstehen wir uns als die Vertretung der Mehrheit des südafrikanischen Volkes.“ Neben Buthelezi (konservativer Zulu-Führer, d.Red.) ist das Verhältnis zum Pan Afrikanischen Kongreß (PAC) das größte Problem für den ANC. Der PAC hat sich ganz deutlich gegen Verhandlungen ausgesprochen. Der ANC hingegen sagt, daß wir jetzt verhandeln, ist im Interesse der südafrikanischen Bevölkerung. Wir brauchen Frieden. Und dafür gibt es jetzt Chancen.

Also kein Runder Tisch für Südafrika?

Ich könnte mir denken, daß der Regierung so etwas vorschwebt, um den ANC kleinzuhalten. Der ANC versteht sich jedoch in der jetzigen Situation, wo mit Verhandlungen die Überwindung der Apartheid möglich scheint, als Vertreter des südafrikanischen Volkes. Da ist auch niemand anderer. Außerdem wirbt der ANC gerade für das Recht aller, sich an Wahlen zu beteiligen. Und dann werden die einzelnen politischen Parteien um die Stimmen der Bevölkerung konkurrieren.

Interview: Michael Bullard