Wählen bevor es zu spät ist

■ Kohl wird auf gesamtdeutsche Wahlen am 2. Dezember bestehen

Wenn ein Gewitter drohe, nachdem der Bauer das Heu gemäht habe, tue er gut daran, es gleich in die Scheune einzufahren. Komme das Gewitter doch nicht, so habe er jedenfalls nichts falsch gemacht. Am Montag, auf der Sitzung des CDU-Bundesvorstandes tat Helmut Kohl noch metaphorisch kund, was bald offiziell sein wird: Die Bundesregierung fordert, anders als bisher, gesamtdeutsche Wahlen am 2. Dezember diesen Jahres - und weder die SPD hüben noch die Regierung drüben werden ihn daran hindern, das auch durchzusetzen.

Der Bauer muß das Heu einfahren, bevor es naß werden könnte. Und Helmut Kohl will die DDR-BürgerInnen zur gesamtdeutschen Wahlurne treiben, bevor sie sich enttäuscht von ihm abwenden. Noch würden sie zwar mehrheitlich schwarz wählen. In ein paar Monaten, in einem Jahr oder gar Ende 1991 könnte sich die Gunst schon wieder den Sozialdemokraten zuwenden. Ihre Wahlerfolge in Niedersachsen und Nordrhein -Westfalen haben Helmut Kohl nervös gemacht. Überdies will der Regierungschef verhindern, daß ein Oskar Lafontaine lange gesamtdeutschen Wahlkampf machen kann - möglicherweise sogar als Kanzler nach einer gewonnenen Bundestagswahl.

Am 2. Dezember erstmal Bundestagswahlen, setzt die SPD dem Kanzler entgegen. Am 2. Dezember noch keine gesamtdeutschen Wahlen, hat vorgestern DDR-Ministerpräsident de Maiziere Kohl signalisiert. Und auch die DDR-SPD spricht sich dagegen aus. Dennoch: Beidrehen werden vermutlich alle drei. Warum sollte etwa die Ostberliner Regierung gerade jetzt Widerstand leisten, wo sie schon in sehr viel unbedeuteren Konflikten fast stets eingelenkt hat? Und dies, nachdem FDP -Chef Lambsdorff deutlich gemacht hat, was ein Rest DDR -Stolz kosten würde: Gesamtdeutsche Wahlen hätten im Dezember oder Januar stattzufinden - ansonsten sei man nicht bereit „der Braut schon vor der Hochzeit den Unterhalt zu bezahlen.“

Auf Dauer gegen gesamtdeutsche Wahlen am 2. Dezember sperren werden sich auch die Sozialdemokraten hierzulande nicht - obwohl sie die Vereinigung durch ihre gerade gewonnene Mehrheit im Bundesrat verzögern könnten. Und obwohl sie die SPD in der DDR dazu anhalten könnte, dem Beitritt ihre notwendige Zustimmung zu versagen. Das Risiko, als Schuldige an neuen Übersiedlerströmen, als Bremser der Einheit, als vaterlandslose Gesellen dazustehen, gehen sie nicht ein.

Ferdos Forudastan