Ist der Sozialismus tot?

■ Pfingsten: 11. Berliner Volksuni mit 100 Veranstaltungen / 125 ReferentInnen, davon erstmalig 40 aus der DDR / Demokratischer Sozialismus als „dritter Weg“ zwischen Kapitalismus und zentralistischer Planung?

West-Berlin. „Der Sozialismus ist tot - es lebe der Sozialismus?“ Unter diesem Motto wird die Berliner Volksuni Pfingsten zum elften Mal stattfinden.

Wer Pfingsten noch immer als christliches Fest und Über-uns -Kommen des Heiligen Geistes betrachtet, wird keine Schwierigkeiten haben, hierzubleiben. Die unter der Rubrik „Christen“ angebotenen Veranstaltungen bieten die ideale Ergänzung zum Kirchgang. Auch die atheistischen Politprofis, die seit Jahr und Tag Sonne verabscheuen und ihre Freizeit traditionell damit verbringen „Theorie, Geschichte und aktuelle Probleme der Arbeiterbewegung und der alternativen Kultur“ zu studieren, kommen selbstverständlich. Was aber ist mit der linken Klientel, die es satt hat, immer nur theoretisch über Ökologie zu reden und die die freien Tage völlig unchristlich und unpolitisch dazu nutzen wollte, im Berliner Umland Nachtigallen zu lauschen und den Duft von Akazienblüte sinnlich zu erleben?

Das Programm der 11. Berliner Volksuni spricht dafür, die Pfingsttage wenigstens zu splitten. In ungefähr 100 Veranstaltungen bestreiten 125 ReferentInnen, davon erstmalig 40 aus der DDR, ein breites Programm zu Themenbereichen wie „Frauen“, „Gewerkschaften und Betriebe“, „Ökologie“, „Frieden und 3. Welt“.

Wer den Kapitalismus immer noch nicht als „Endstation der Menscheitsentwicklung“ akzeptieren will und trotz der in der „historischen Sackgasse“ geendeten zentralistischen Planung noch einen dritten Weg für denk- und machbar hält, kann mit den marxistischen Ökonomen Elmar Altvater (West-Berlin) und Peter Ruben (Ost-Berlin) diskutieren. Herta Däubler-Gmelin (stellvertretende Vorsitzende der SPD) und Gregor Gysi (PDS) bieten eine zweifellos spannende Debatte über „demokratischen Sozialismus“. Eine Veranstaltung zur „Entmilitarisierung“ bestreiten Elmar Schmähling, einstweilen abgehalfterter Admiral der Bundeswehr und Wilfried Schreiber, Oberst der NVA.

Wer Sozialismus ähnlich wie die Veranstalter zukünftig als „Vernetzungsprojekt unterschiedlicher Bewegungen in der Perspektive einer bewußten und solidarischen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ sehen will und wer die Kräfteverhältnisse abhängig davon sieht, „wie gut und schnell die Linken aus BRD und DDR sich miteinander vernetzen“, strickt mit am Netz. Von Freitag, 1.6., bis Montag, 4.6., in der Hochschule der Künste. Das Programm gibt's für 3,- DM in Westberliner Buchhandlungen oder bei der Volksuni, Groninger Straße 50, 1-65, Telefon 455 99 98, während der Volksuni Telefon 3185-2464.

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