Razzia auf dem Alexanderplatz

■ Polizisten und Zöllner starteten gestern vormittag große Aktion gegen illegalen Geld- und Warenhandel auf dem Alex / Berlin-Besucher verkaufen Kassettenrecorder und Radios / Polizei vermutet kriminellen Händlerring

Mitte. Die Ostberliner Volkspolizei (VP) hat gestern vormittag mehrere Dutzend illegaler Händler und Geldwechsler vom Alexanderplatz vertrieben. An der Razzia waren rund 50 Polizisten sowie mehrere Mitarbeiter des Zolls und des Gewerbeamtes beteiligt. Zu Verhaftungen oder vorübergehenden Festnahmen kam es nach Angaben der VP nicht. Ziel der Aktion sei es lediglich gewesen, den „ungenehmigten Warenhandel und die illegale Geldspekulation zu beenden“, erklärte ein Sprecher der VP-Inspektion Berlin-Mitte.

Schon seit einigen Wochen wird der Alexanderplatz zunehmend von Polen, Tschechoslowaken, Rumänen, Bulgaren und Roma bevölkert. Sie bieten Textilien zum Kauf an, versuchen Kassettenrecorder loszuschlagen oder fragen Passanten, ob sie „tauschen“ wollen. Eine Gewerbegenehmigung haben sie freilich nicht. Das bunte Treiben auf dem einstmals öden Alexanderplatz sorgt für Aufregung: „Einen Polenmarkt gibt's schon im Westen, das wollen wir hier nicht haben!“ meinte ein VP-Sprecher. Die „Reaktionen der Bevölkerung“ seien wegen des Schwarzmarktes immer aggressiver geworden, erklärte er. Dazu käme, daß die Anzahl von Taschendiebstählen im Bereich Alexanderplatz in der letzten Zeit „sprunghaft“ in die Höhe gestiegen sei. Das Getümmel auf dem Alex böte für Langfinger eine gute Gelegenheit, aktiv zu werden, erklärte ein Polizist. Allein innerhalb der dreißig Minuten der Einsatzzeit hätten sich drei Bürger an die VP gewandt, denen man auf dem Alex die Geldbörse gestohlen hatte.

Die VP vermutet, daß der Handel mit den „Tonträgergeräten“ von organisierten kriminellen Gruppen betrieben wird. „Da gibt es Groß-, Zwischen- und Endhandel. Wir werden das verfolgen“, meint ein VP-Rat zur taz. Der Zoll soll nun die Herkunft der illegal eingeführten Waren überprüfen. Die Händler auf dem Alex seien sogar mit Funkgeräten ausgestattet gewesen und hätten ihre Kollegen vor der Polizei gewarnt, berichtete der VP-Mitarbeiter weiter.

Mit Öffnung der Grenzen hätten Kriminalität, Schwarzhandel und Geldspekulation im Ostteil der Stadt erheblich zugenommen, klagte VP-Direktor Adolf Huber gestern in einer Pressekonferenz. Allein durch den normalen Streifendienst der Polizei sei diesem Problem nicht mehr beizukommen, meinte er weiter. Er kündigte deshalb an, daß solche Razzia -Aktionen künftig regelmäßig gestartet werden sollen. Außerdem werde ein Verbot für den Handel im Stadtbezirk Mitte ohne Gewerbegenehmigung ausgesprochen. Wer dagegen verstoße, müsse mit Ordnungsstrafen und bei bandenmmäßig betriebenem Schwarzhandel mit Festnahme oder Einziehung der Waren und des Geldes rechnen.

Der illegale Tauschhandel mit Geld war von der VP bisher weitgehend toleriert worden. Auch gestern nachmittag, nach dem Einsatz der VP, hatte er wieder eingesetzt. Die Händler, die am morgen noch mit einem Dutzend Kassettenrecordern auf den Bänken gesessen und nach Kundschaft Ausschau gehalten hatten, arbeiteten gestern abend schon mit einem Trick: sie hatten nur noch ein Gerät dabei. „Dagegen können wir nichts machen!“ erklärte ein VP-Mitarbeiter dazu frustriert.

ccm