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Polens unkontrollierter Kapitalmarkt ist wie ein Labyrinth

Fast jeder darf Aktien ausgeben und tut es auch / Kontrollen gibt es keine, Bilanzen auch nicht / Zum ersten Mal veröffentlicht eine AG vor der Emission ihre Daten Über ein Aktien- und Börsengesetz verfügt Polen noch gar nicht wieder / In Hinterzimmer-„Privatbörsen“ wird von Zement bis Gold so ziemlich alles verscherbelt  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Zur Zeit erlebt Polen gerade seine erste nach westlichen Maßstäben durchgeführte Aktienemission. Die Außenhandelsfirma „Universal AG“ erhöht ihr Stammkapital um 150 Milliarden Zloty (15,8 Millionen Dollar) durch die Ausgabe von Aktien zum Nominalwert von 10.000 Zloty (ein Dollar), die zum doppelten Preis abgegeben werden.

Und erstmals entspricht fast alles westlichen Standards: Ein Prospekt liegt vor, der alle wesentlichen Daten der Firma einschließlich Bilanz und Betriebsergebnis enthält, die Subskription ist öffentlich und allgemein. Ein Fortschritt, so stellt etwa die Regierungszeitung 'Rzeczpospolita‘ (die Republik) fest, denn bisher erhöhten Polens Betriebe ihr Kapital zumeist auf recht dubiose Art und Weise.

Ein Aktien- oder Börsengesetz gibt es nämlich in Polen nicht mehr. Das alte Handelsgesetzbuch von 1934 existiert zwar noch, doch wurden alle Bestimmungen über die Börse in den fünfziger Jahren gestrichen. Geblieben sind allerdings die Bestimmungen über Aktiengesellschaften, so daß eine paradoxe Situation entstanden ist. Zur Zeit kann jede Firma, deren Stammkapital mindestens 250 Millionen Zloty (ca. 260.000 Dollar) beträgt, Aktien ausgeben. Theoretisch müssen solche Betriebe zwar Bilanzen veröffentlichen, doch hat es damit in Polen noch niemand sonderlich ernst genommen. Zumal die Aktienausgabe bisher oft recht zweifelhafte Hintergründe hatte: Betriebe, die Mangelwaren herstellten, koppelten Liefergarantien an den Erwerb von Aktien - bis die Antimonopolbehörde einschritt. Inzwischen ist die Aktienausgabe zu einer beliebten Schröpfmethode geworden, besonders seit sich der Dollar aufgrund der neuen Valutapolitik als Geldanlage nicht mehr eignet. So hat sich auch Polens größter Baukonzern „Drewbud“ zu einer Stammkapitalaufstockung entschlossen: Zuerst mit Hilfe von Aktien, dann mit Hilfe von Kreditpromessen, einer Schöpfung, die im Handelskodex Polens gar nicht vorkommt.

Vor kurzem setzte dann eine Warschauer Privatbörse noch einen drauf und bot „Aktienpromessen“ an. Gegen Zahlung eines Aufpreises versprach sie die Vermittlung beim Kauf der „Universal„-Aktien, die noch gar nicht im Umlauf waren.

Solche „Privatbörsen“ gibt es inzwischen in allen großen Städten. Dort wird in Hinterzimmern in kleinem Umfang alles gehandelt, was nicht niet- und nagelfest ist: Von Zement säckeweise bis zu Gold karatweise, Devisen immer eingeschlossen. „In dieser Hinsicht befinden wir uns auf der Etappe des Kapitalismus des 19. Jahrhundert“, fand die Wirtschaftszeitung 'Zycie Gospodarcze‘ (Wirtschaftsleben).

Daß es keine wirkliche Börse gibt, ist nicht das einzige Problem mit Polens wilder Privatisierung. Auch die Besitzverhältnisse zu privatisierender Betriebe sind ungeklärt, seit Polens Staatsbetriebe zwar noch staatlich, aber zugleich selbständig geworden sind.

Gehört zum Beispiel nur das Gründungskapital dem Finanzminister oder auch das vom Betrieb selbst erwirtschaftete? Wem gehört der Grund, auf dem eine Firma steht - dem Staatsbudget oder dem Betrieb? Keine dieser Fragen ist bisher eindeutig beantwortet. Hinzu kommt, daß auch die Zahl der potentiellen Investoren eher gering ist. Gerade der Staat muß dies zur Zeit erfahren: Die zweite Emission von Obligationen trifft bisher auf ein schwaches Echo - die Leute haben zu wenig Reserven.

Dies ist auch der Grund, warum „Universal“ seine Aktien zu relativen kleinen Nominalen abgibt. „Für 20.000 kann sich jeder eine Aktie leisten“, meint etwa Universal-Direktor Dariusz Przywieczerski.

Trotz der exakten Vorbereitung - auch die „Universal„ -Aktion ist eine „wilde Privatisierung“. Denn das Privatisierungsgesetz, auf dessen Basis solche Emissionen eigentlich erfolgen sollten, wird zur Zeit noch vom Sejm beraten. Und der Entwurf für ein Wertpapierkontrollgesetz hat das Finanzministerium noch gar nicht verlassen.

Auch handelt es sich bei den Anteilscheinen von Universal um Namensaktien, die nicht frei verkäuflich sind, was die Kontrolle erleichtern soll. Denn nur 30 Prozent der Kapitalerhöhung sind für Ausländer vorgesehen - die Angst vor dem Ausverkauf steht Pate.

Damit wird aber bald Schluß sein, denn 1991 beabsichtigt Universal, auch an ausländischen Börsen aktiv zu werden. Dann sollen Dividenden sogar in Dollar ausbezahlt werden.

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