Bahnhof, gesamtdeutsch

Kohl und de Maiziere vor dem Straßburger Europaparlament EG-Vorsitzender Haughey von deutscher Vereinigung begeistert  ■  Aus Straßburg Michael Bullard

Höhepunkt des gesamtdeutschen Bahnhofs im Straßburger Europaparlament diese Woche: der erste kombinierte Auftritt zweier deutscher Regierungschefs - Kohl und de Maiziere vor den Völkervertretern. Trotz seiner Wahlniederlagen gab sich Kohl einigungssicher. Für die für den Herbst anvisierte Beendigung der Vier-plus-zwei-Gespräche forderte er: „Das Ergebnis muß ein geeintes Deutschland sein, dessen Souveränität uneingeschränkt ist.“ Was die Wiedererlangung der vollen Souveränität kosten soll, hatte am Vorabend bereits Bundesbankchef Pöhl in Straßburg kundgetan: unter 100 Milliarden D-Mark. Im Gegensatz zu Pöhl betonte Kohl erneut, Steuererhöhungen kämen nicht in Frage (s. Wirtschaftsseite).

Vor Kohl und de Maiziere hatte der irische EG -Ratsvorsitzende Haughey seinen Auftritt. Er schilderte die deutsche Einigung in rosigsten Farben: „Unser Kontinent erfährt zur Zeit tiefgehende Veränderungen - eine Periode, die seine Zukunft und die seiner Bewohner auf lange Zeit bestimmt. Aber dies gibt nicht nur Deutschland Anlaß zur Zufriedenheit. Durch die Vereinigung wird gleichzeitig die Gemeinschaft um 16 Millionen neue EG-Bürger bereichert.“

Außerdem stellte der irische Regierungschef seine Vorschläge zur Demokratisierung der EG-Institutionen vor. Denn seit den Revolutionen in Mittelosteuropa fühlen sich die EG-Architekten verpflichtet, endlich auf EG-Ebene einzuführen, was in den Mitgliedsstaaten mehr oder weniger lange Tradition hat: das bürgerliche System der Gewaltenteilung. Darüber diskutieren heute zwölf EuropaparlamentarierInnen mit den EG-Außenministern und dem europäischen Chefvisionär Delors. Mindestens vier Vorschläge sind im Umlauf - von Mitterand und Kohl, den Europaparlamentariern und der EG-Kommission. Der neueste Entwurf stammt aus Haugheys Amtsstuben: Ein ständiger Ministerrat mit einem effektiveren Abstimmungsmechanismus soll eingerichtet werden, die Europaparlamentarier sollen mehr Kontrollrechte bei der EG-Gesetzgebung erhalten und der europäische Gerichtshof bekommt das Recht, Sanktionen gegen EG-Mitgliedsstaaten zu verhängen. Bislang hatte eine Verurteilung Konsequenzen nur für das Ansehen der jeweiligen Regierung.