„Wir wollen nie wieder nach Jugoslawien zurück“

■ Eine jugoslawische Roma-Familie kämpft um ihr Bleiberecht in Berlin / Der Sohn sitzt seit Dezember in Abschiebehaft / Der Fall liegt jetzt beim Petitionsausschuß / Abschiebeversuch scheiterte am Widerstand des Vaters / Innenverwaltung sieht keine Gründe für Bleiberecht

West-Berlin. Wenn er nach seiner Heimat Jugoslawien befragt wird, hat Zoran Stevanovic eine klare Antwort: sein Fuß holt aus und simuliert einen kräftigen Tritt. Das ist die treffendste Beschreibung, die er für gut 30 Jahre Leben als Roma und Wanderarbeiter finden kann. Vor zwei Jahren war er es leid, herumgestoßen und von der Polizei schikaniert zu werden. Seine Kinder sollten nicht weiter in der Schule als „Zigeuner“ beschimpft und gehänselt werden - zudem wurde die Situation für Roma im nationalistisch aufgeheizten Klima des Vielvölkerstaates Jugoslawien immer bedrohlicher. Zoran, seine Frau Ruzica und die drei Söhne flohen 1988 nach Berlin und beantragten Asyl.

Warum Zoran Stevanovic diesen Asylantrag im August 1988 zurückzog, kann er selbst nicht erklären. Fest steht, daß er sich über die Konsequenzen eines solchen Schrittes nicht klar war. Ein Verfahren zur „Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand“, wie es im Juristendeutsch heißt, scheiterte. Der Familie, deren beide minderjährigen Söhne mittlerweile eine Berliner Schule besuchten, wurde die Ausreiseaufforderung zugestellt. Die Familie blieb - von nun an „illegal“.

Vier Monate lebten sie zu fünft in einem Zehn-Quadratmeter -Zimmer; die Kinder mußten die Schule verlassen, die Eltern kratzten das nötige Geld bei Beratungsstellen und Wohlfahrtsverbänden zusammen - bis sie am 29. Dezember 1989 von der Polizei festgenommen und in Abschiebehaft genommen wurden. Der erste Abschiebeversuch scheiterte am 4. Januar am Widerstand von Zoran Stevanovic. Man habe ihn ins Flugzeug verfrachtet und ihm Handschellen angelegt, erklärt er. Er wehrte sich, bis der Flugkapitän den Transport dieses Passagiers verweigerte. Ein zweiter Abschiebungsversuch wurde vorerst durch Intervention beim Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses gestoppt. Entschieden hat der Ausschuß noch nicht. „Noch“ im Januar wurden die Eltern und die beiden jüngeren Söhne aus der Abschiebehaft entlassen. Sie kamen vorerst in der Kreuzberger St.Jacobi-Gemeinde unter. Bei dem 22jährigen Sohn Jovan konnte sich der Staatssekretär der Innenverwaltung, Borrmann, nach eigenen Worten „nicht zu einer solchen Maßnahme entschließen, weil er mehr als ein Jahr illegal in Berlin gelebt“ habe.

Weder Proteste der Kirchengemeinde noch der Cinti-Union Berlin fanden bei der Ausländebehörde Gehör. „Wir haben angeboten, daß auch der älteste Sohn bei uns aufgenommen und polizeilich angemeldet werden kann“, so der Pastor der Gemeinde, Peter Storck, „aber genutzt hat es nichts.“

Staatssekretär Borrmann sieht nach eigenen Worten keine Veranlassung, der Roma-Familie ein Bleiberecht einzuräumen. Daß es den Roma wirtschaftlich schlechter geht als der übrigen jugoslawischen Bevölkerung, räumt Borrmann ein. Anhaltspunkte, wonach Roma in Jugoslawien repressiven staatlichen Maßnahmen politischer oder anderer Art ausgesetzt wären, seien nicht vorhanden. Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV) berichtet dagegen von gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegen Roma in den letzten Jahren. Vor allem im Zuge der Nationalitätenkonflikte zwischen Serben und Albanern drohen Roma nach Berichten der GfbV zerrieben zu werden. Gemeldet werden Überfälle von Polizeikräften auf Romafamilien. Auf 800.000 bis eine Million wird ihre Zahl heute in Jugoslawien geschätzt. In Serbien sind während der Besatzung durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg über 150.000 Roma ermordet worden - darunter auch Angehörige von Zoran Stevanovic. Deshalb sieht Pastor Storck eine Verantwortung gegenüber Familien wie den Stevanovics.

Momentan können sie nichts tun als abwarten - und Jovan in der Abschiebehaft besuchen. Die Eltern wollen sich wieder nach Schulplätzen für die Kinder umsehen - aller Ungewißheit zum Trotz. Denn sicher ist für Zoran und Ruzica Stevanovic nur eins: „Nach Jugoslawien gehen wir nicht zurück.“

anb