DDR: Rettet die Karo!

■ Angriff auf DDR-Identität: Philip Morris will DDR-Traditionsmarke weißwaschen

Dresden/Berlin (taz) - Die Philip Morris GmbH München will die Zigarettenfabriken des VEB Kombinats Tabak in Dresden übernehmen. Den über 1.000 Mitarbeitern der Dresdener Werke versprach der bayerische Zigarettenkonzern die Sicherung ihrer Arbeitsplätze bis 1992, die Erhöhung der Brutto -Einkommen zum 1.Juli um 150 DM, die Beibehaltung des dreizehnten Monatsgehaltes sowie den Fortbestand der Betriebskindergärten und Ferienheime. Die Firmenleitungen aus Dresden und München kündigten Mittwoch abend zwar die Aufrechterhaltung der Produktion der DDR-Zigarettenmarken „f6“, „Juwel“ und „Karo“ an. Aber ach: Nichts wird mehr so sein, wie es mal war!

Die Philip Morris GmbH, die als westdeutsche Marktführerin jährlich 47 Milliarden Zigaretten in Hochglanz-Packungen auf den Markt wirft, plant „durch qualitative Verbesserung“ die bewährten DDR-Marken dem Firmenprofil anzugleichen und durch „aktiven Verkauf“ den Absatz zu sichern. Vor allem der Karo, dem filterlosen Kultobjekt der DDR-Raucherszene ohne jeglichem, auf die Packung gedruckten Hinweis irgendeines Gesundheitsministers, droht damit der Abstieg in die Anonymität des westlichen Tabakbreis.

Der Versuch, die preiswerte und spartanisch ausgestattete Karo nach amerikanischen Marketing-Strategien weißzuwaschen, ist der bisher fundamentalste Angriff auf die kulturelle Identität der DDR-Bewohner. Sie gehört zur DDR -Sozialisation, auf den Schulhöfen beginnt mit ihr der Einstieg in die Lungenzug-Klasse. Vor allem in ehemaligen Widerstandskreisen, in den Klubs, Kneipen und Ateliers in Dresden- Neustadt, Leipzig-Connewitz und Berlin-Prenzlauer Berg muß dieser raffinierte Versuch, kulturelle Errungenschaften zu schleifen, als Dolchstoß in das Herz der Revolution empfunden werden. Aber: Noch ist die Karo nicht verloren. DDR-Raucher aller Länder, vereinigt Euch!

Andre Meier