Berlin zittert um Bundes-Förderung

Verwirrung in Berlin: Die Bundesregierung äußert widersprüchliche Zeitpunkte, zu denen die Berlinförderung auslaufen soll Nach Informationen der taz soll die Arbeitnehmerzulage bereits im Juli 1991 auslaufen / Kohl sagte weitere Zahlung der Berlin-Hilfe zu  ■  Von Kordula Doerfler

Berlin (taz) - Offen sichtbare Konfusion herrschte gestern in Berlin über den Abbau der spezifischen Finanzhilfen, die die Mauerstadt aufgrund ihrer Stadortnachteile bisher aus dem Bundeshaushalt erhalten hat. Auf einem Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Kohl am Mittwoch war ausgehandelt worden, daß die Bonner Hilfe zum Berliner Haushalt in Höhe von jährlich 13 Milliarden DM solange weiter bezahlt werden solle, als die wirtschaftliche Situation von Berlin dies erforderlich macht.

Weiterhin strittig ist dagegen der Abbau der Berlinförderung, unter den auch die acht Prozent Arbeitnehmerzulage fällt. Der taz liegen Informationen aus dem Bundeskanzleramt vor, denen zufolge man daran denkt, die Arbeitnehmerzulage nur noch bis Juli 1991 zu zahlen und dann schrittweise abzubauen. Im Berliner Senat war von diesem Zeitpunkt gestern nichts bekannt, er löste in der zuständigen Finanzverwaltung ausgesprochene Hektik aus. Berlins Regierender Bürgermeister Momper erklärte gestern vor Berliner Journalisten, er sei sich mit dem Bundeskanzler einig gewesen, daß die Berlinförderung erst abgebaut werden kann, wenn die wirtschaftliche Situation sich so gebessert hat, daß keine Einkommennachteile im Vergleich zum Bundesgebiet zu befürchten sind.

Die Finanzminister der Länder hatten sich am Dienstag abend darauf geeinigt, daß der Bund noch in diesem Jahr einen Gesetzesentwurf einbringen soll, nach dem die Kosten der deutschen Teilung - darunter fallen die Zonenrandförderung und die Berlinförderung - bis 1997 abgebaut werden. Diesem Zeitpunkt, so Momper gestern unisono mit seinem Finanzsenator Meisner, könne Berlin nicht zustimmen. „Es gibt keinen Zweifel daran, daß Berlin seinen Beitrag zur Einheit leisten wird“, sagte Momper. An einen Abbau der Berlinförderung könne man frühestens 1993 denken und sie dürfe nicht 1997 bereits völlig verschwunden sein. Auch in diesem Punkt, so Momper, habe es Zustimmung des Bundesklanzlers gegeben.

Momper zeigte sich irritiert über Äußerungen des Bundesfinanzministers Waigel, der gestern in Bonn bekräftigte, die Regelung von sieben Jahren solle auch für Berlin gelten. Der Regierende Bürgermeister forderte Kanzleramtsminister Seiters telefonisch auf, dafür zu sorgen, daß die Bundesregierung in der Frage der Berlinförderung eine einheitliche Haltung vertrete.

Gemäß dem „dritten Überleitungsgesetz“ aus dem Jahr 1952 erhält Berlin als Ausgleich für seinen Standortnachteil jährlich Hilfe aus Bonn zum Haushalt, der dafür auch der Bonner Revision unterliegt. In dem Gesetz wird Berlin als „Hauptstadt im Wartestand“ bezeichnet. Mit der Vereinigung beider Stadthälften kommen auf Berlin riesige finanzielle Belastungen zu, so daß auf mittlere Sicht weiter mit Unterstützung aus Bonn gerechnet werden muß. Ost-Berlin, das nach einem Vorschlag des DDR-Ministerrates kein eigenes Land werden soll, sondern bis zur Vereinigung nur einen länderähnlichen Status erhalten wird, wird bis dahin Finanzhilfen aus dem Deutschlandfonds der Bundesländer erhalten.

Die mögliche Kürzung der Berlin-Zulage von Arbeitnehmern löste gestern in Berlin heftige Reaktionen aus. Der DGB -Berlin forderte die verantwortlichen Politiker dazu auf, sich für die Fortzahlung der Förderung einzusetzen. Ansonsten, so ein Sprecher, werde man auf tariflichem Wege versuchen, den Einkommensstandard zu halten. Nach einer Untersuchung des Deutschen Institut für Wirtschaft lag das Durschnittseinkommen in Berlin im Vergleich zu dem des zweiten großen Stadtstaates Hamburg 1988 um 10 Prozent niedriger. Die Berlin-Zulage - acht Prozent des Brutto -Einkommens - war ursprünglich eingeführt worden, um die unsichere Situation der Halbstadt für Arbeitnehmer erträglicher zu machen. Seither trägt sie im Volksmund den Namen Zitterprämie. Die Gewerkschaften in Berlin fordern, an den Gesprächen beteiligt zu werden. Insbesondere die SPD sei jetzt gefordert, denn sie könne über ihre neue Mehrheit im Bundesrat entsprechende Gesetze stoppen.