DDR-Verfassung wird gewestet

Volkskammer billigt in erster Lesung entscheidende Änderungen der Verfassung / Alles Sozialistische außer Kraft gesetzt / Keine Debatte über den Staatsvertrag  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

Die DDR-Volkskammer gibt sich alle Mühe, dem Staatsvertrag so schnell wie möglich den Weg zu ebnen. Alles, was noch nach Sozialismus riechen könnte, wird getilgt. Gestern billigten die Abgeordneten in erster Lesung einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung. Der Entwurf soll die noch gültige Verfassung bis zur Übernahme des Grundgesetzes der BRD ergänzen. Die „freiheitliche Grundordnung“ wird zum Prinzip erhoben: „Die DDR bekennt sich zur freiheitlichen, demokratischen, föderativen rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung“, heißt es in Artikel1 der Ergänzung. Er setzt gleichzeitig alle Regelungen der bisher gültigen Verfassung außer Kraft, die den „einzelnen oder Organe der staatlichen Gewalt auf die sozialistische Staats- und Rechtsordnung, auf das Prinzip des demokratischen Zentralismus, auf die sozialistische Gesetzlichkeit und das sozialistische Rechtsbewußtsein“ verpflichten.

Weiter wird Privateigentum an Grund und Boden und an Produktionsmitteln ermöglicht. Artikel4 sieht die Bildung von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden als Tarifparteien vor. „Unabhängige Rechtsprechung“ wird festgelegt und dem Staat die Aufgabe zugewiesen, das „Recht des einzelnen, durch Arbeit ein menschenwürdiges Leben (...) zu führen“, zu verwirklichen. Last not least soll das Parlament einen Freischein für künftige Änderungen per einfacher Mehrheit erhalten. Auch zukünftige Staatsverträge, die der Verfassung widersprechende Regelungen enthalten, sollen so - als „Verfassungsgesetz“ definiert - bestätigt werden können. Der Entwurf der Regierung stieß auf Kritik bei Bündnis 90 und der PDS.

Über den Staatsvertrag wollte die Volkskammer gestern nicht diskutieren. Die Abgeordneten lehnten einen entsprechenden Antrag der PDS ab. Auch einzelne Abgeordnete der SPD stimmten gegen eine inhaltliche Diskussion. Siehe Bericht auf Seite 8