Verwundung und Haß

■ Betrifft: Artikel vom 29.4.90, „Was wir nicht wollen“

Liebe Uta Stolle

Warum so schreiben gegen einen Mann, gegen seine Kunst, gegen sein Auftreten, gegen all die Menschen, die mit ihm dieses „Was ihr wollt“ am Bremer Thater geschaffen haben, so wie es jetzt über die Bühne geht? Wieviel Haß, wieviel Verwundung durch den Mann steckt dahinter, so daß sogar der Stil eminent darunter leidet.

Selbst dem leeren Blatt Papier tut solch eine Schreibweise weh. Auch Papier kann weinen, wie die Schreibfeder, wenn sie zur Waffe degradiert wird.

Ich habe es Ihnen schon mal geschrieben, wie sehr ich Sie schätze in der Bremer TAZ - Redaktion und Ihre Artikel gerne lese oder las. Was ist denn los mit Ihnen und Ihrer Beziehung zum Fricsay.

Er ist doch nur ein Mann mit viel Macht wie andere auch (auch die „Shakespaere - Company“ hat ihre Hierarchie, bloß demokratisch verschleiert, versteht sich).

Aber - und das weiß ich aus seiner Arbeit an „Was ihr wollt“ - er degradiert seine Schauspieler und seine Statisten nicht, er peitscht nicht seine Interessen durch, künstlerisch, ohne Rücksicht auf Verluste, nur um ein „hervorragenes Kunstwerk“ auf Kosten seiner Schauspieler und anderen Mit - Spieler zu schaffen.

Sie wollen ihm und den jungen Schauspielern keine Zeit gönnen und lassen. Sie wollen ihn stürzen, Sie wollen ihn „hängen“ sehen. Sie wollen ihn aufgrund Ihrer Schreib-ohn -macht in der TAZ „kreuzigen“.

Dazu sind nicht nur Männer fähig, sondern ja auch Frauen, die Spaß haben am Waffengeklirr, auch wenn sie dann beim „Blutbad“ die Hände unschuldig in den Schoß legen (siehe 3.Reich und die Frauen, reine Wesen).

Warum wollen Sie, Uta, „ganz objektiv“ von Frau zu Frau, gerade ihn zunichte machen? Fragen Sie sich das einmal, ganz für sich selbst, allein „ohne Schwester oder Bruder“. Seien Sie bitte etwas vorsichtiger mit sich und Ihrer Feder, behutsamer, auch schlagfertig. Aber ohne Liebe im radikalen Sinne bleibt eines Tages die Tinte auch Ihnen aus.

Michaela Garre, 2800 Bremen