„Kids up“ - aber wohin?

■ Interview mit Mädchenbands zum Thema „Rock gegen Rassismus und Drogen“ / Heute abend Konzert in der Gropiusstadt

West-Berlin. Heute gibt es im Gemeinschaftshaus in der Gropiusstadt ein Konzert mit Jugendrockbands, die sich im Rahmen des sozialpädagogischen Jugendmusikprojekts Neukölln gegründet haben. Die taz sprach mit 14-18jährigen Mädchen aus den vier Mädchenrockbands „Aggravated Assault“ (Schweres Sittlichkeitsverbrechen), „Biliary Colic“ (Gallenkolik), „Snowdonia“ und „Thyrrania Vampirs“ über ihre Identifikation mit dem Motto: „Kids up - against racism, no drugs!“

taz: Die Themenstellung heißt „Drogen“, „Rassismus“ und „Gewalt und Stadtteil“...

A: Na also Moment mal, wir haben diese Themenstellung überhaupt nicht, wir machen hier bei 'nem Projekt mit, und die haben diese Themenstellung. Wir haben versucht uns zu weigern, also die Forderungen, jetzt habt ihr dieses Thema und jetzt müßt ihr dazu 'n Text schreiben. Wie weit uns das gelungen ist, ist relativ, weil eigentlich immer irgendwelche Lieder rauskamen, die irgendwo da reinpaßten.

Warum habt ihr euch geweigert, weil es vorgegeben ist, oder betreffen euch die Themen nicht?

A: Ja, weil's 'ne Zwangssituation ist, weil da kommt nur Gülle raus. Die haben uns gesagt, sonst wird's nicht gefördert, das is'n bißchen blöde, würd‘ ich sagen.

C: Wir haben einfach gesagt, wir machen Texte, die uns betreffen, dann ist das 'n Produkt von uns. Wir machen die Musik, machen unsere Problemtexte, und ihr könnt die dann irgendwie hinterher auswerten, aber nicht so, daß das von euch kommt und wir danach tanzen müssen.

B: Wir haben einfach was über uns geschrieben, wir wollten einfach ausdrücken, daß wir 'ne Mädchenband sind. Wenn wir zum Beispiel Musikzeitschriften aufschlagen, sehen wir immer nur Männer und halbnackte Frauen im Hintergrund. So wenig Frauen. Madonna, na gut, aber es gibt keine Bands.

Kann man denn sagen, ihr macht hier mit, weil ihr Musik machen wollt als Mädchen und als Band? Und welche Texte, das ist erst mal zweitrangig?

C: Wir wollen alleine was auf die Beine stellen, alleine Musik machen und einfach Spaß daran haben. Und auch die Freizeit sinnvoll gestalten und was unternehmen. Weil es sowieso in Berlin so wenig Möglichkeiten gibt, wo man sich treffen kann.

Glaubt ihr, daß man überhaupt durch Musik und entsprechende Texte bei Drogen, Rassismus und Gewalt im Stadtteil was verändern kann?

B: Das einzige, was man erreichen kann, ist, daß man sich selber damit auseinandersetzt, aber andere hören ja schon mal gar nicht zu. Das einzige ist, daß die eben von der Straße runterkommen, wenn da jetzt 'n Konzert ist. Dann sitzen sie eben nicht im Park und saufen, sondern dann sitzen sie eben im Konzert...

A: ...und saufen. Also bei diesen Kids-up-Projekten ist einfach das Problem, daß wir hier unten in der Wutzkyallee spielen und hier einfach nicht unser Publikum ist. Also wir so hauptsächlich Fun-Musik spielen und hier eben hauptsächlich langhaarige Heavys rumhängen oder eben die Glatzen.

Du sagtest, ihr galtet als Zugpferd für die Skins, und das wollt ihr nicht?

A: Na ja, zum Anfang, dadurch, daß ziemlich viele Skins in unseren Konzerten waren, hieß es, daß wir Nazis wären. Dagegen wehren wir uns einfach. Also wir sind einfach von früher von der Schule her befreundet mit den Jungs, und die kommen dann halt zu unseren Konzerten.

B: Mein Problem ist eher, daß im Moment alle Heavys in einen Topf geworfen werden. Und zwar ist das so, wenn ich aus der U-Bahn komme, mich springt 'n Türke an, der sagt ich bin 'n Heavy, dann raste ich aus, weil irgend 'n Heavy macht Scheiße, und alle anderen müssen drunter leiden.

Sind wir doch wieder beim Thema, was euch formal vorgegeben wurde: könnt ihr euch vorstellen, das, was du eben gesagt hast, auch in 'nem Lied auszudrücken?

B: Ja, ich probier‘ das. Ich würde vielleicht sagen, so in der Richtung, daß wir uns alle verstehen untereinander, Heavys, Skins...

Sollte man das Projekt weiterführen oder öfter machen?

Ja, aber dann wollen wir mal sagen, was wir so machen wollen.

Sicher sind die vorgegebenen Themen akut und relevant. Aber wenn ich Liebeskummer habe, dann fang‘ ich an zu schreiben...

Interview: Sigrid Bellack

Gemeinschaftshaus Gropiusstadt, Bat-Yam-Platz 1, 1 Berlin 47. Heute ab 16.30 Uhr. Eintritt: 3 DM