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KRIMIFANS UND ESOTERIK-BARRAKUDAS

■ oder: Der prätentiöse Urlaub des deutschen Finanzbeamten

Also diese deutschen Reiseveranstalter. Hut ab! Die lassen sich wirklich noch was einfallen, um den gelangweilten Germanen die Ferien originell zu gestalten. Da bietet zum Beispiel die Offenburger „Sindbad-Reisen GmbH“ den Tod auf dem Nil an, Untertitel: Auf den Spuren von Hercule Poirot - im Urlaub. Die Leute von „Sindbad“ haben ganz richtig erkannt, daß dem westdeutschen Erholungssuchenden der echte Tod in Ägypten scheißegal ist. Was interessieren den urlaubsreifen deutschen Finanzbeamten die verhungernden Kinder auf den Müllkippen vor Kairo oder Alexandria. Ist nicht sein Problem, wenn die Kids täglich mit den Ratten um den halbverfaulten Abfall kämpfen müssen. Er hat schließlich auch einen Job zu Hause, und der schmeckt ihm auch nicht immer. Da will er sich wenigsten im Urlaub ein bißchen amüsieren und sich nicht mit diesen ganzen Problemen herumschlagen, die sie ihm jeden Abend in der Tagesschau um die Ohren hauen. Auf Agatha Christie fährt er auch voll ab, und sowieso war er schon immer der Meinung, daß sein detektivischer Spürsinn, den er ja täglich an kriminellen Steuerhinterziehern schärfen kann, weitaus ausgeprägter ist als der dieses komischen Belgiers Poirot.

Er zahlt also die schlappen 4.375 D-Mark und bucht den Krimitrip auf dem schicken Nilkreuzer „MS.FlashI“ mit Swimmingpool und Bauchtanz an Bord. Natürlich ist er sich völlig sicher, daß er irgendwo zwischen Luxor und Kairo den „Mörder“ entlarven und damit einen weiteren Traumurlaub in Ägypten gewinnen wird.

Wer noch weniger Grips hat und dringend ein neues Bewußtsein braucht, dem kann man nur die Esoterische Nilfahrt zu den jahrtausendealten Geburtsstätten der abendländischen Spiritualität empfehlen, selbstverständlich auf dem neuesten Hotelschiff. Veranstaltet wird das Mysterium von zwei echten Experten: Dr. Hans Enders, Leiter des Instituts für Motivation und ganzheitliche Lebensgestaltung, und Ludwig Schoen, Lebensberater auf astrologischer Grundlage. Wenn man ihren Werbeprospekt liest, wird einem sofort klar, daß die beiden Spezialisten für einen spannenden Urlaub das sind, was Bonnie Parker und Clyde Barrow für die amerikanischen Banken waren. Zum Spottpreis von 3.700 D-Mark werden einem nämlich sämtliche Geheimnisse der Welt verraten.

Herkömmliche Mathematik kann man zum Beispiel gleich vergessen, denn die modernen Druiden werden uns die „esoterische Zahlensymbolik als Universalschlüssel zum Welt und Selbstverständnis im allgemeinen und zu den ägyptischen Mysterien im besonderen“ erklären. Die Sphinx von Gizeh ist natürlich, wir haben es ja schon immer geahnt, eine „alte Hinterlassenschaft von Atlantis und Transformator kosmischer Energie“. Daß in der Konstruktion und den Maßzahlen der Großen Pyramide das „Geheimnis aller Epochen enthalten ist“, haben wir schon gewußt, aber als Nichteingeweihte haben wir noch nie „die innere Botschaft des Wüstensandes und der Tempelsteine“ vernommen. Natürlich wird uns auch „die erhabene Sprache des Sternenhimmels“ erklärt, ebenso die „neuartigen Methoden der bewußten Atmung, der schöpferischen Imagination und der universellen Meditation“. Das alles können wir mit nach Hause nehmen, es wird „in uns weiterwirken und ein neues Bewußtsein entstehen lassen, in dem Vergangenheit und Zukunft zu einer sinnerfüllten Gegenwart verschmelzen“. Alles klar? Wir können die Glotze aus dem Fenster schmeißen, das Zeitungsabo abbestellen und ganz entspannt darauf warten, daß uns der nächste Esoterik -Barrakuda das Geld aus der Tasche frißt. Vielleicht kommt ja schon bald einer auf die Idee, aus dem Tibetanischen Totenbuch eine lockere Luxusreise zu machen.

Karl Wegmann

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