Ausländerwahlrecht im Politpoker

■ Frankreichs Sozialisten opfern ihre Forderung nach kommunalem Wahlrecht dem Konsens mit der Opposition

Paris (taz) - Bis auf weiteres wird es für Frankreichs AusländerInnen kein kommunales Wahlrecht geben. In Anbetracht der „verfassungsrechtlichen, kulturellen und psychologischen Hindernisse“ verabschiedete sich die regierende Sozialistische Partei Frankreichs von einer Forderung, die sie seit 1973 vertreten hatte. Der Parteivorstand erklärte nach seiner Sitzung am Mittwoch abend, es müsse verhindert werden, daß aus der Debatte um eine entsprechende Wahlrechtsreform ein „Abszeß“ werde, der eine Integrationspolitik behindern könnte.

Bizarrerweise ist der Kurswechsel der Sozialisten eine Konsequenz der Grabschändungen von Carpentras. Premierminister Rocard möchte der allgemeinen Empörung gesetzgeberische Taten folgen lassen und hat alle Parteien des Parlaments (mit Ausnahme der Nationalen Front Le Pens) zu einem „Runden Tisch“ über „Rassismus und Einwanderung“ geladen. Die bürgerliche Opposition hatte ihre Teilnahme davon abhängig gemacht, daß die Regierung dem Ausländerwahlrecht öffentlich abschwöre. Chirac und Giscard sehen in der Forderung nach einer Reform des Wahlrechts lediglich ein taktisches Manöver der Sozialisten, um Wähler zu Le Pen zu treiben und damit die Rechte zu spalten.

Nachdem sein eigener Parteivorstand nun von der Forderung abgerückt ist, kann Rocard am 22. Mai, wenn das Parlament über Einwanderungen diskutiert, der Opposition nachgeben, „ohne das Gesicht zu verlieren“. Mit Teilen seiner Parteibasis und mit den Antirassismus-Bewegungen hat Rocard es sich jetzt allerdings verdorben: „Diese Entscheidung bedeutet den Gipfel von 18 Monaten Untätigkeit“, kommentierte SOS-Rassismus. Die Parteilinke sprach von „Kapitulation“ gegenüber einer Rechten, die inzwischen bereits eine neue Gesprächsbedingung aufgestellt hat: Das Staatsangehörigkeitsgesetz, wonach alle in Frankreich Geborenen die französiche Staatsbürgerschaft erhalten, müsse, so der Generalsekretär der Gaullisten, reformiert werden.

smo