Guter Nationalismus

Der Bukarester Studentenführer Sorin Dragan, eine Gallionsfigur der rumänischen Opposition und Direktor der Studentenzeitung 'Glasul‘, ist überzeugt, daß der Nationalismus keine negative Erscheinung ist  ■  I N T E R V I E W

taz: In der letzten Ausgabe ihrer Zeitung erschien eine Karikatur eines ungarischen Reiters der ungarische Fibeln nach Bessarabien bringt. Welchen Sinn macht das?

Sorin Dragan: Es handelt sich um eine Stellungnahme gegen die ungarische Regierung. Die ungarische Regierung hat Lehrbücher für die ungarische Minderheit in Siebenbürgen eingeführt und damit die separatistischen Forderungen der Rumänienungarn unterstützt. Dabei ging es um die umstrittene „Geschichte Siebenbürgens“.

Was halten sie von der „Vatra Romaneasca“?

Ich glaube , daß diese nationale Organisation der Rumänen, vor allem der siebenbürgischen Rumänen, sehr wichtig ist. Ich bin prinzipiell ein Verfechter des nationalen Gedankens

-nicht nur aus rumänischer Perspektive.

Halten sie denn dann die Forderung der Rumänienungarn nach einer ungarnsprachigen medizinischen Fakultät für berechtigt?

Ehrlich gesagt, nein. Es scheint doch so zu sein, daß die Ungarn sich von den Rumänen separieren wollen, und nicht, wie oft behauptet, von uns ausgegrenzt werden.

Gibt es denn keinen rumänischen Nationalismus?

Doch, natürlich - aber keinen mit negativen Vorzeichen. Ich bin der Überzeugung, daß der Nationalismus keine negative Erscheinung ist, sondern die Werte des Volkes herausstellt.

Es gibt heute viele rumänische Intellektuelle, die als einzige Voraussetzung für die Entwicklung der Demokratie und eine europäische Integration Rumäniens das Anknüpfen an die Tradition der 30er Jahre betrachten.

Ich teile diese Auffassung.

Gab es zu der Zeit nicht vielmehr eine Entwicklung zum Faschismus mit dem damaligen populären Politiker und Philosophen Nae Ionescu an der Spitze?

Kategorisch nein. Ionescu war ein glänzender Verfechter nationalistischer Ideen, die ich nicht als faschistisch bezeichnen würde.

Wie erklären Sie sich dann den Holocaust an den rumänischen Juden und Zigeunern während des II.Weltkrieges?

In unseren Geschichtsbüchern stand darüber nichts. Mir sind gewisse Exzesse rechtsradikaler rumänischer Organisationen bekannt - ich kenne jedoch keine Details.

Wäre es dann nicht an der Zeit, jetzt eine Diskussion über den rumänischen Faschismus und den Stalinismus zu führen?

Selbstverständlich, ja. Das Ceausescu-Phänomen ist fast ausdiskutiert. Jetzt sollte man darüber reden, wie der rumänischen Nation nach dem II. Weltkrieg der Kommunismus aufgezwungen wurde.

Interview: William Totok