Die drei Präsidenten-Kandidaten

■ Ion Iliescu, Ion Ratiu und Radu Campeanu kandidieren für den entscheidenden Präsidentenposten

Ginge es nach den nicht repräsentativen Umfragen der letzten Tage in Rumänien, dann stünde der Sieger der Präsidentschaftswahlen jetzt schon fest: 50 bis 60 Prozent der Wähler würden sich für Ion Iliescu, den Führer der Front zur nationalen Rettung entscheiden. Der Vorsitzende der Liberalen Partei, Radu Campeanu, käme mit 20 bis 30 Prozent auf die zweite Stelle. Und der Führer der Bauernpartei, Ion Ratiu, könnte kaum mit zehn Prozent der Stimmen rechnen.

Doch diese Umfragen sind nicht viel wert. Als am Donnerstag abend die drei Präsidentschaftskandidaten über zwei Stunden lang im Fernsehen miteinander diskutierten, wurde deutlich, daß der Liberale Campeanu sich im Aufwind fühlt. Auch die rumänischen Massenmedien sahen ihn als Gewinner der Diskussion. Doch Ion Iliescu, der nach der Revolution vom 22. Dezember die Macht im Staate übernahm, geht weiterhin von seinem Wahlsieg aus.

Iliescu ist ein Mann des kommunistischen Parteiapparats. Nach seinem rasanten Aufstieg in die höchsten Gremien der Partei erfolgte 1971 ein jäher Absturz. Er hatte sich mit Elena Ceausescu überworfen und mußte sich bis in die Mitte der 70er Jahre hinein mit dem Posten eines Propagandasekretärs im Kreis Temes begnügen. Er arbeitete als Direktor des Wasserwirtschaftsamtes und seit Anfang der 80er Jahre als Chef eines technischen Verlages. Doch Iliescu, den das 'Time-Magazine‘ bereits 1986 als Ceausescus Nachfolger sah, gab seinen Kampf gegen den Clan des Diktators nicht auf. Von Ceausescu selbst als Bürokrat diffamiert, erwarb er sich bei seinen Mitarbeitern im Verlag und in der Intellektuellenszene der Hauptstadt den Ruf, Kristallisationspunkt einer Oppositionsbewegung in der Partei zu sein. Schon damals munkelte man von einer Organisation um Iliescu herum. Doch erst im Sommer 1989 wurde die Existenz einer Gruppe bekannt, die als Front zur nationalen Rettung über den Sender Freies Europa die Rumänen zum Widerstand gegen das Regime aufrief und im November noch versuchte, die Delegierten des Parteitages auf eine Ceausescu-kritische Position zu bringen. Noch ist es nicht erwiesen, aber wahrscheinlich, daß Iliescu zusammen mit Teilen der Armee und des Sicherheitsapparates auf den Sturz des Diktators hinarbeitete. Die Revolution von Temesvar wäre nach dieser Annahme einem parteiinternen Putsch zuvorgekommen. Ganz gleich, ob diese Theorie stimmt oder nicht - sie wird von Iliescu selbst dementiert -, in der Bevölkerung wird sie geglaubt und könnte für den Wahlsieg Iliescus ausschlaggebend sein.

Trotz eines rabiaten antisozialistischen Wahlkampfes konnte Ion Ratiu, der zweite Kandidat und Führer der nationalen Bauernpartei, die Position Iliescus nicht erschüttern. Denn Ratiu, der 1917 in Cluj (Klausenburg) geboren wurde und über 40 Jahre im Exil lebte, ist an dem Versuch gescheitert, mit den Parolen von einst die Rumänen von heute zu gewinnen. Ein Freund Margret Thatchers, ist er in der Fremde reich geworden. Von den meisten wird er als Demagoge betrachtet, als jemand, der jedem alles verspricht und selbst einen diktatorischen Zug besitzt. Als Chef der „Weltunion der freien Rumänen“ versuchte Ratiu, alle anderen Exilorganisationen in seinen Verein zu zwingen. Böses Blut verursachte sein Versuch, Unterstützungsgelder für die rumänischen Flüchtlinge in Ungarn vor drei Jahren nur dann auszuzahlen, wenn die Geflohenen seiner Organisation beitraten. Mit seiner nationalistischen Rhetorik wird er wohl in Siebenbürgen eine beträchtliche Anhängerschaft um sich scharen können, in anderen Landesteilen hat er aber kaum Aussichten auf Erfolg.

Anders dagegen Radu Campeanu, der Chef der liberalen Partei, der von vielen Schülern und Studenten sowie Teilen der technischen Intelligenz und der städtischen Mittelklasse unterstützt wird. Campeanu, der von 1944 bis 1947 Vorsitzender des liberalen Studentenbundes war und in den 50er Jahren für neun Jahre ins Gefängnis gehen mußte, emigrierte 1973 nach Frankreich und kehrte erst am 4. Januar dieses Jahres nach Rumänien zurück. Während des Wahlkampfes hütete er sich vor leeren Versprechungen und Demagogie. Seine Seriosität hat ihn zu einem ernsthaften Gegenkandidaten Iliescus werden lassen, der für einen Achtungserfolg gut ist.

Erich Rathfelder