„Eine AG zahlt bessere Managergehälter“

■ Beschäftigte des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung wollen den Beschluß ihrer Chefs zur Umwandlung ihres Betriebes in eine Aktiengesellschaft kippen / Ab heute findet eine Urabstimmung statt

Ost-Berlin. Ein Beschluß der Direktion des Ostberliner VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (WAB), den bisher „volkseigenen“ Betrieb schon bald in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, hat jetzt zu starken Protesten in der Belegschaft geführt. Die etwa 3.600 Beschäftigten erzwangen eine Urabstimmung über die zukünftige Eigentumsform des Wasserversorgungsunternehmens. Ab heute bis einschließlich Mittwoch soll abgestimmt werden, wobei das Ergebnis nach Einschätzung der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) klar sein dürfte: Nur von der Rechtsform eines Eigenbetriebes verspreche sich die Belegschaft sichere Arbeitsplätze, so der BGL-Vorsitzende Bernd Panzer zur taz.

Dem BGL-Vorsitzenden zufolge möchte die Direktion des Wasserversorgungsbetriebes hauptsächlich aus ökonomischen Gründen den Sprung in eine Kapitalgesellschaft westlichen Musters. Betriebsgewinne könnten dann selbständig zur Absicherung der notwendigen Investitionen wiederverwendet werden. Ebenso bestehe die Freiheit, selbst über die Verteilung der Gewinne auf die Löhne und Gehälter zu entscheiden. Der Pferdefuß: Eine beabsichtigte Fusion des WAB Berlin mit den Westberliner Wasser-Betrieben werde sich durch die unterschiedlichen Eigentumsformen zumindest „hinauszögern“.

Unterdessen haben auch die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90 im Roten Rathaus übereinstimmend dafür plädiert, den Wasserversorgungsbetrieb nach dem Modell der Wasser -Betriebe in einen städtischen Eigenbetrieb umzuwandeln. Dies sei das Ergebnis der letzten Koalitionsverhandlungen, gab am Freitag der amtierende Geschäftsführer der SPD -Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Udo Eisner, bekannt.

Eisner kritisierte scharf, daß die WAB-Direktion derzeit alle Anstrengungen unternehme, die Bildung einer Aktiengesellschaft noch vor der Wahl eines neuen Ostberliner Magistrats am 30.Mai unter Dach und Fach zu bringen. Gegen diese Bestrebungen werde die SPD-Fraktion in einem Protestschreiben an die DDR-Treuhandanstalt zur Verwaltung des Volkseigentums offiziell Einspruch erheben.

Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer sprach in diesem Zusammenhang von massiven Versuchen der Betriebsdirektoren zur Beeinflussung der Belegschaft. Die Chefs - fast alle Ex -SED-Mitglieder - wollten sich auf der Basis des Aktienrechts eigentlich nur ihre Posten sichern und seien auf höhere West-Gehälter scharf. Auch Eisner war überzeugt, daß eine Privatisierung des Ostberliner Wasserversorgungsbetriebes die Fusion mit den Wasser -Betrieben „ganz schön schwierig“ mache. Mehr noch: „Das behindert die Stadtentwicklung ganz erheblich.“

Dagegen gab sich der Sprecher der hiesigen Wasser-Betriebe, Eike Krüger, betont neutral. Die Entscheidung über die Zukunft des noch volkseigenen Kooperationspartners WAB Berlin sei „Angelegenheit Ost-Berlins“, referierte Krüger eine knappe Stellungnahme des Vorstandes der Wasser -Betriebe. Überdies stehe eine Fusion „definitiv noch nicht an“.

Deutlicher hatte sich Betriebssenator Wagner (SPD) im April geäußert. Wagner warnte vor „vorschnellen Privatisierungsschritten“ bei den Ostberliner Ver- und Entsorgungsbetrieben. Nach der absehbaren Vereinigung der beiden Teile Berlins müsse für die Betriebe eine einheitliche Rechts- und Organisationsform gefunden werden.

Thomas Knauf