Scharfe SPD-Attacke gegen Bärbel Bohley

■ Koalitionsverhandlungen gehen heute in ihre dramatische Phase / SPD will Bündnis 90 - und Bündnis 90 die SPD - zur Entscheidung zwingen / Der Umgangston wird schärfer: SPD-Landesvorstandsmitglied Herbst wirft Bohley Quasi-Unterstützung der PDS vor

Ost-Berlin. Während die Hauptstädter das Wochenende nutzten, sich in die Sonne zu legen oder ihren Ostmark-Überhang abzubauen, ging hinter den Kulissen bei den in das Rote Rathaus gewählten Parteien und Bewegungen das Tauziehen um die Magistratsbildung weiter. Der am Freitag in der taz veröffentlichte Brief von linken Sozialdemokraten und Koalitionswilligen vom Bündnis 90 und die ablehnende Antwort Bärbel Bohleys in der taz auf diese öffentliche Aufforderung zum Einstieg in eine schwarz-rot-grüne Koalition haben noch einmal die Konfliktpunkte aufgezeigt.

Zwar sind realpolitische Kräfte innerhalb des Bündnisses bereit, von ihrer Wahlaussage abzugehen und auch mit der CDU in einen SPD-geführten Magistrat zu ziehen, doch überwiegt innerhalb der Bürgerbewegungen die ablehnende Position Bohleys. Am Sonnabend wurde auf einem Treffen der Volkskammerfraktion mit Berliner Mitgliedern Bohleys Haltung bestätigt. Gegenüber der taz erklärte Bohley gestern, daß sie heute die SPD vor die Entscheidung stellen werde: „Entweder Rot-Grün - oder die SPD findet die Abgeordneten des Bündnisses auf der Oppositionsbank wieder.“ Eine andere Entscheidung hält sie für ausgeschlossen. „Grüne Politik mit der CDU ist in Berlin nicht möglich.“

Bei der Ostberliner SPD glaubt man trotz dieser klaren Absage an einen Verhandlungsspielraum. Gestern traf sich der Landesvorstand im Roten Rathaus, um die letzte Verhandlungsrunde mit der CDU und dem Bündnis vorzubereiten. Knut Herbst vom Berliner Vorstand erklärte am Rande der Sitzung, daß die SPD weiterhin auf die realpolitischen Kräfte innerhalb der Bürgerbewegung setze. Heute will man das Bündnis auf Grundlage der bisher erreichten Übereinstimmungen in Sachfragen zu einer Entscheidung drängen. Herbst setzt auf die Basis der Bürgerbewegung: „Ohne ihre Zustimmung können die Verhandlungsführer des Bündnisses und der Grünen eine Regierungsbeteiligung in Ost-Berlin nicht ablehnen.“

Einen rot-grünen Magistrat lehnte der SPD-Politiker unter Verweis auf die Mehrheitsverhältnisse erneut ab: „Wir wollen kraftvoll regieren, und dafür brauchen wir die CDU.“ Allein die Möglichkeit, bei einer Entscheidung auf die Stimmen der PDS angewiesen zu sein, zwinge dazu. Herbst erneuerte seinen am Sonnabend in der SFB-Abendschau geäußerten Vorwurf, Bärbel Bohley unterstütze mit ihrer Haltung die Politik der PDS. Wörtlich sagte Herbst zur taz: „Die Position Bärbel Bohleys ist eine quasi Unterstützung der PDS/SED. Sie behindert damit die Zerschlagung der alten stalinistischen Strukturen in Berlin.“ Hinter den Koalitionsgegnern im Bündnis vermutet Herbst Teile der Westberliner AL. Diese, so der SPD-Funktionär, „tragen ihre Probleme rüber“.

Ob derartige Angriffe die koalitionswilligen Kräfte in den Reihen der Bürgerbewegung stärken, bleibt zu bezweifeln. Offensichtlich drängt die Ostberliner SPD jetzt auf eine Entscheidung. Nach nochmaligen Verhandlungen mit der CDU und dem Bündnis soll heute auf einer Pressekonferenz Bilanz gezogen werden. Vieles spricht bislang dafür, daß die SPD in der Hauptstadt sich - auch vor dem Hintergrund Westberliner Erfahrungen - für den sicheren, den rot-schwarzen Weg entscheiden wird.

Die Konstituierung der neugewählten Stadtverordnetenversammlung wurde derweil vom Dienstag auf den Freitag verschoben, da im Rathaus bislang die technischen Voraussetzungen für den reibungslosen Ablauf der Sitzung nicht vorhanden sind.

Andre Meier