Kein ökonomisches Problem

■ Bernd Schuster gefällt's nicht mehr in Madrid Real-Präsident Mendoza verschlug es die Sprache

P R E S S - S C H L A G Über hundert Tore mit seinem Signet füllen die Statistiken; Zehntausende von Seiten hat er die schreibende Zunft beschäftigt; Millionen Zuschauer haben seinen Namen emphatisch gebrüllt oder mit Verbal-Fäkalien überschüttet; Milliardenbeträge in Peseten wurden ihm überwiesen. Bernd Schuster ist die schillernde Figur des spanischen Fußballs, seit er vor einem Jahrzehnt das erste Mal seine Füße auf die iberische Halbinsel setzte. Doch nun neigt sich die Dekade dem Ende zu und mit ihr die wechselhafte Laufbahn des „großen Blonden mit dem Stollenschuh“, wie 'El Pais‘ kürzlich frotzelte.

Nachdem der 30jährige erst vor zwei Wochen mit Real Madrid seine dritte Meisterschafts-Trophäe nach 1985 mit dem FC Barcelona und im letzten Jahr mit Real feiern durfte, gab er noch pathetische Worte von sich: „Ich liebe Spanien, und ich werde bei diesem großartigen Club Real bis zum Ende meiner Karriere bleiben.“ Doch dies scheint plötzlich Makulatur. Wie aus heiterem Himmel vernahm die fußballpassionierte Öffentlichkeit Äußerungen von Reals Präsidenten Ramon Mendoza, der vor laufenden Kameras dem Deutschen mit „fristloser Kündigung und Suspendierung“ drohte, da er gegen „Vereinsstatuten“ verstoßen habe.

Schuster, der an einer schmerzhaften Rückenverletzung leidet, hatte sich geweigert, eine Südamerikareise mit dem Team anzutreten. Nachdem er von Trainer Toshack und seinen Mitspielern bedrängt worden war, doch mitzukommen, zeigte der mit 3,2 Millionen Mark Jahressalär bestbezahlte Kicker der Bourbonen-Monarchie Muskeln. Wenn überhaupt, würde er nur mit Frau und vierköpfigem Nachwuchs den Flieger besteigen. Erst nach Mendozas Rausschmißankündigung gab der 21fache Nationalspieler klein bei und ging ans Kofferpacken.

Seine Chance zum Return war gekommen, als Präsident und Trainer in Bukarest weilten, um den rumänischen Mittelfeldstar Gheorghe Hagi zu verpflichten. „Don Bernardo“ sagte im mexikanischen Monterrey, er wolle „Spanien und Real Madrid“ spätestens nach Ablauf seines Vertrages am 30. Juni 1991 verlassen. „Die Würfel sind gefallen. Ich werde meine Entscheidung unmöglich noch mal revidieren.“ Da er dann ablösefrei gehen kann, derzeit aber noch mit einem Ablösewert von 6,3 Millionen Mark taxiert wird, kann ihm an Eskalation nur gelegen sein. Unvergessen, wie er sich in der Saison 86/87 nach Dauerfehde mit Barcelonas Clubchef Nunez auf die Tribüne verbannen ließ, obwohl der Verein eine Zwölf -Millionen-Offerte aus Marseille vorliegen hatte.

Meine Zukunft ist offen“, verriet Schuster in Mexiko, „denn die Nachricht meiner definitiven Entscheidung muß sich erstmal rumsprechen.“ Weil Gattin Gaby wohl aber auf dem Balearen-Eiland Ibiza, ihrer Lieblingsresidenz, keinen liquiden Europapokal-Aspiranten fand, bekundete sie in einer Regenbogenpostille ihre Liebe zur Schweiz. Just verkündeten alpenländische und spanische Sportgazetten unisono, daß Xamax Neuchatel, wo auch Uli Stielike seine Laufbahn beendete, den Mittelfeldakteur verpflichten wolle. Verständlich Schusters Replik auf die Frage, ob finanzielle Interessen hinter seinen Wechselgelüsten stünden: „Ich habe meine Zukunft frühzeitig gesichert. Es ist kein ökonomisches Problem.“ Das konservative Blatt 'La Vanguardia‘ addierte vor Monatsfrist das Immobilien-, Anlage- und Barvermögen des gelernten Klempners auf 27 Millionen Mark.

Arbeitgeber Mendoza erklärte derweil verschnupft: „Herr Schuster kann abhauen...“ Dann versagte ihm vor den Chronisten die Stimme.

Nikolas Marten