„Einreiseunion“

■ oder: Die Abschottung des deutschen Spießermilieus nach außen

Es ist geschafft - „Ost-Berlin stoppt die Einreiseflut!“ Was westdeutsche Politiker seit Tagen forderten, allen voran der Berliner Regierende Bürgermeister Momper und sein Innensenator Pätzold, ist trotz rot-grüner Stadtregierung erreicht. Die DDR und die Bundesrepublik verfügen neuerdings faktisch über eine sogenannte Einreiseunion. Gemeint ist damit die Ausgrenzung von Ost- und Südosteuropäern aus dem komfortablen Mief des deutschen Hauses. Auslöser waren etwa 4.000 Rumänen, vor allem Roma, die dem Elend und der Diskriminierung ihrer Heimat ausweichen wollten und nach Berlin-Lichtenberg gereist waren - unter Ausnutzung der alten großzügigen Reiseregelungen zwischen Rumänien und der DDR.

Der Ostberliner Innenminister erkannte sofort „völkerwanderungsähnliche“ Probleme und außerdem „ein unwürdiges Äußeres“ der Flüchtlinge. Das von Armut und Krankheit gezeichnete Gesicht einer rumänischen Roma -Zigeunerin galt in „Deutschland, einig Vaterland“ schon immer als „unwürdig“, und schon immer war der Inbegriff eines „würdigen Äußeren“ die möglichst teigige deutsche Stammtischvisage (mit der man auch locker und ohne das geringste eigene Verdienst in das Amt eines Innenministers schlittern kann).

Wen interessiert schon, daß eine in Ost-Berlin gerade neu installierte Ausländerbeauftragte vor Unduldsamkeit und Rassismus warnt, wen interessiert, daß der eben noch als Held der friedlichen Revolution gefeierte Ostberliner Bischof Gottfried Forck an die Ermordung von 250.000 Sinti und Roma durch das nationalsozialistische Deutschland erinnert und verlangt, daß ihren Nachfahren gezeigt werden solle, daß „wir die schlimme deutsche Unmenschlichkeit überwunden haben und nun nach Kräften zur Hilfe bereit sind“.

In den Ohren von Pätzold, Momper, Diestel und Schäuble ist das papperlapapp. Es geht darum, daß die DDRler ohne Visum nach Venedig und Paris fahren können und daß sie dafür möglichst schnell das nötige Kleingeld verdienen. Daß für andere Menschen im Gegenzug Freiheiten abgeschafft werden, geschieht mit Blick auf die Ressentiments und den Dünkel der Deutschen in Ost und West, mit Blick auf die nächsten Wahlen im vollen Einverständnis mit dem souveränen Volk. Es erweist sich als günstig, daß die Volkskammer jede Verfassungsdiskussion vermied und so nicht in die Verlegenheit kam, über Asylrecht und Menschenwürde nachzudenken. Darum geht es auch nicht. Sondern nur darum, wie es der Innenminister der DDR ganz im Tonfall seiner Amtsvorgänger formulierte, „einer Problematik Herr zu werden“.

Götz Aly