EG wegen Osteuropa-Bank verkracht

■ Osteuropäische Entwicklungsbank geht nach London, ein Franzose wird Chef / Kleine EG-Staaten protestieren gegen britisch-französische Kungelei / „Der Gemeinschaft Schaden zugefügt“

Paris (taz) - Ein Romancier als Chef der „Osteuropa-Bank“: Jacques Attali, die rechte Hand des französischen Staatschefs, wurde am Samstag abend in Paris zum ersten Präsidenten der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ (BERD) gewählt. 32 der 42 Kapitalgeber stimmten für ihn. Sitz der postkommunistischen Entwicklungsbank wird London und nicht Amsterdam, wie es der niederländische Premier Ruud Lubbers noch am Freitag gefordert hatte. Eine Premiere: Zum ersten Mal wird eine europäische Institution ihre Zelte in der britischen Hauptstadt aufschlagen.

Damit haben sich Frankreich und Großbritannien, die sich schon beim Siebener-Gipfel in Washington am 6. Mai auf die Option „Attali/London“ geeinigt hatten, gegenüber den Bedenken der kleineren BERD-Mitglieder durchgesetzt. Besonders die Niederlande hatten darauf verwiesen, daß Frankreich mit dem EG-Präsidenten und dem Generaldirektor des IWF bereits hochrangige Posten besetzt hält, und schlugen - gemeinsam mit den Südeuropäern - ihren ehemaligen Finanzminister Onno Ruding als Kandidaten vor. Frankreich habe, so Ruud Lubbers, mit seiner starren Haltung „der Gemeinschaft Schaden zugefügt“. Mangels eines einheitlichen Votums der EG-Länder mußte so am Samstag einzeln abgestimmt werden.

Dabei steht die Kompetenz Jacques Attalis außer Frage. Der Mitterrand-Berater hat neben Romanen, Essays und Biographien auch vieldiskutierte ökonomische Bücher verfaßt und präsidierte bereits dem BERD-Vorbereitungskomitee. Attali war es auch, der im September die Idee einer internationalen Entwicklungsbank für die sich demokratisierenden Länder Osteuropas in die Diskussion brachte.

Die BERD verfügt über ein Gründungskapital von 10 Milliarden ECUs (etwa 21 Milliarden DM), von dem die EG 51 Prozent hält. Mit Darlehen soll vor allem der Privatwirtschaft in den ehemaligen Volksdemokratien auf die Beine geholfen werden.

smo