Schwarz-Rot regiert in Berlin

SPD und CDU werden im Berliner Magistrat regieren / Bündnis 90 hat bis Freitag Zeit, um über eine Regierungsbeteiligung nachzudenken / Tino Schwierzina rief dramatisch zum Kampf gegen die PDS/SED auf / Bärbel Bohley: „Ich habe nichts zu sagen“  ■  Berlin Andre Meier

Die Hauptstadt regiert künftig ein rot-schwarzer Magistrat. Tino-Antoni Schwierzina, der künftige SPD-Bürgermeister, zog gestern vor der Presse im Roten Rathaus eine Bilanz der Koalitionsverhandlungen seiner Partei mit der CDU und den Vertretern vom Bündnis 90 und den Grünen.

Obwohl Schwierzina dem Bündnis noch bis Freitag Zeit einräumt, auf der Basis eines von der SPD präsentierten Koalitionspapiers über eine Beteiligung an einem rot -schwarzen Magistrat nachzudenken, hält er deren Regierungsbeteiligung für unwahrscheinlich. Obwohl in wesentlichen Punkten zwischen der Bürgerbewegung und seiner Partei ein Konsens besteht, beharre das Bündnis auf einem rot-grünen Minderheitenmagistrat. Für seine Partei hieße das, indirekt die PDS an der Regierungsverantwortung zu beteiligen. Schwierzina rief im grünen Saal des Roten Rathauses mit dramatischen Worten noch einmal eindringlich alle politischen Kräfte „zum gemeinsamen Kampf gegen die PDS/SED“: „Die alte SED muß kleiner werden, auch wenn man dazu mit einer Blockpartei zusammengehen muß.“

Vorwürfe gegen das Bündnis richtete SPD -Landesvorstandsmitglied Herbst. Allein die Tatsache, daß die Bürgerbewegungen von einer linken Mehrheit in Berlin sprechen, ist für die SPD Zeichen einer gefährlichen Fehleinschätzung der PDS. Den Fahrplan für die weiteren Schritte zur Regierungsbildung in Berlin gab Tino Schwierzina bekannt: bis Freitag soll allen Parteien die Koalitionsvereinbarung zur Meinungsbildung zur Verfügung stehen. Dann werde darüber befunden, mit wem man Berlin gemeinsam regieren wird. Das auf die Gespräche in den Arbeitsgruppen von SPD/CDU und SPD/Bündnis 90 aufbauende 21 Seiten starke Papier soll die Basis künftiger Stadtpolitik sein. Schwierzina geht davon aus, daß sowohl die CDU als auch die neu ins Spiel gebrachten Liberalen sich für eine Zusammenarbeit mit der SPD in Berlin entscheiden werden. „Freitag wird der Bär geschlachtet und sein Fell verteilt“, so Schwierzina auf die Frage nach der Zusammensetzung des künftigen Magistrats.

Unter den Schlächtern werden Bündnis und die Grünen nicht zu finden sein. Im Anschluß an die SPD-Pressekonferenz gaben Neues Forum, Demokratie Jetzt und Grüne Partei eine Erklärung ab. Ingrid Köppe zeigte noch einmal die entscheidenden Dissenspunkte zwischen den Bürgerbewegungen und der SPD auf: Verfassungsschutz, Olympiade und Ablehnung des Proporzsystems in den Stadtbezirken stießen auf den Widerstand des Bündnisses. Übereinstimmung bestand in vielen Punkten, so unter anderem in der Überführung des Volkseigentums in kommunales oder genossenschaftliches, über einen Volksentscheid zur Landesverfassung, über den entmilitarisierten Status von ganz Berlin und einer weitestgehenden Transparenz der Polizeiarbeit. Wenn in diesen Punkten die CDU mitzieht, unterstützt das Bündnis von der Oppositionsbank aus den Magistrat. Doch auch um Stadtratsposten wollen die Bürgerbewegungen kämpfen. Bärbel Bohley als Bürgerbeauftragte, Sebastian Pflugbeil als Stadtrat für Ökologie und Stadtentwicklung und der Beauftragte für die Auflösung der Staatssicherheit als neuer Stadtrat für Innere Angelegenheiten.

Schon vorab hatten Schwierzina und Herbst ein solches Ansinnen als „absonderlich“ zurückgewiesen. Fischbeck von Demokratie Jetzt reagierte im Anschluß an die Erklärung Ingrid Köppes auf die Vorwürfe der SPD. Seine Einschätzung der PDS setzte auf eine gründliche Analyse der Entwicklung dieser Partei und ihrer Wählerschaft. „Die PDS hat die Chance, sich auf der Oppositionsbank zu bewähren, die CDU in der Regierung hat sie nicht. Die PDS vorbehaltlos abzulehnen, hieße ein neues Feindbild aufzubauen.“ Bärbel Bohley, schon vor der SPD-Pressekonferenz von der taz befragt, erklärte nur: „Ich habe nichts zu sagen, Berlin wird nun schwarz-rot regiert.“ Kommentar Seite 24