Hufeklappern, Schleierhüte

■ Zum 500sten der Post auf historischem Kutschenrutsch / Mit Blaulicht und Eskorte

„Da kommt man sich ja vor wie die Gräfin von Koks!“ lacht eine ältere Dame in der Postkutsche und winkt milde lächelnd den staunenden PassantInnen zu, die von Bürgersteigen und Vorgärten zurückwinken. Unter ihrem Schleierhut in altrose kräuselt sich ein schillergelocktes Haarteil hervor. Wie alle anderen Passagiere trägt sie eine fast bodenlange Pelerine. Die Herren tragen Zylinder.

Zwanzig vierspännige Postkutschen aus dem vorigen Jahrhundert rollen zum 500jährigen Postjubiläum durch die ganze Republik, besetzt mit Passagieren, die sich für 250 Mark einen Tag lang im vorindustriellen und seitdem traditionellen Post-Tempo durch die Landschaft rütteln lassen wollen. Die Fahrt ist als Sternfahrt geplant, nach Bonn zum Bundesministerium für Post und Telekommunikation. Der gestrige Abschnitt ging mit einer größeren Reise-Kutsche und einer kleineren Postkutsche von Bremen nach Hude.

An Bord ein knappes Dutzend Passagiere. Begleit-Eskorte: ein Pferde-Container, ein Tierarzt, mehrere HelferInnen, der Kutschen-Kontaktmann auf einem Mofa und vorneweg die Polizei. Der einzige Insasse des Polizeiwagens hat alle Hände voll zu tun, auf den Straßenkreuzungen hin-und herzurennen und den fließen

den Verkehr anzuhalten. Später, außerhalb der Stadt-Tore, auf Holperwegen, staut sich der Verkehr. Links und rechts die grüne Ochtum.

Auf dem gelben Wagen sitzt es sich so hoch und so wackelig, wie auf dem Rücken eines Elefanten. Die aristokratische Haltung, das salbungsvolle Lächeln und das Queen-Elizabeth -Winken stellt sich dort oben ganz von selbst ein. Die Herren lüften die Zylinder. Am Wegesrand winken ganze Schulklassen und Familien am Gartenzaun, Papi holt schnell die Kamera. Alle freuen sich, lachen, winken zurück.

In der kleineren Post-Kutsche indes, wie ein Sarg gepolstert und

ausgeschlagen mit schwarzem Filz, will niemand länger sitzen. Vier Leute passen da hinein, aber nur stocksteif, Hände auf dem Schoß. Und die winzigen Fensterchen geben nur einen beschränkten Ausblick frei. Orientierungslos sind die Reisenden dort dem Hufeklappern und dem Kopfstein-Gerumpel ausgeliefert.

Nach Delmenhorst brauchen wir zweieinhalb Stunden. Am Gasthof „Zum Pultern“ wird die Reisegesellschaft von Burgfräuleins im wallenden Kleide, Edelmännern und der Delmenhorster Obrigkeit auf einem Platz unter 100jährigen Eichen empfangen. Ein Burgfräulein reicht Malzbier

aus einem Kelch von 1837. Nach einer weiteren halben Stunde durch die besten Delmenhorster Wohnviertel erreichen die Kutschen den Delmenhorster Marktplatz.

Dort ein riesiger Menschenauflauf. Vor dem Rathaus singt zum Empfang ein Schul-Chor „Hoch auf dem...“ und Internationales zum Thema Reisen und Pferde. Großer Applaus, dann Empfang vom Bürgermeister und nette Worte über die Post vom Delmenhorster Oberpostillion: Was die Post alles geleistet hat in den 500 Jahren und „jetzt haben wir ja auch einen Geldautomaten“.

Beate Ram