Ende der Schonfrist - „Ich knutsche nicht“

■ 100-Tage-Bilanz der Sozialsenatorin Uhl / 6000 Hort- und Kita-Plätze und Hilfskonzept für Drogenabhängige angekündigt

Einen handfesten Krach mit Claus Grobecker hat Bremens neue Sozialsenatorin, Sabine Uhl, sich vorgenommen. Schon in einer der nächsten Senatssitzungen will Uhl dem Bremer Finanzsenator zweistellige Millionenbeträge aus dem Kreuz leiern. Mindestens 30 Millionen, so hat Uhl ausrechnen lassen, sind allein für eine spürbare Verbesserung der Bremer Versorgung mit Kita- und Hort-Plätzen nötig. Uhls Erkenntnis nach exakt 103 Amtstagen und Ablauf der Schonfrist für Senats-AnfängerInnen: „Eine Stadt, die sich ein neues Kongreßcentrum leisten kann, muß auch die sozialen Grundbedürfnisse der Benachteiligten befriedigen können.“

Schon bis zur Kitaplatz-Vergaberunde 1991/92 will Uhl rund 2.000 neue Plätze schaffen und so „einen massiven Schritt“ in Richtung der angestrebten 90-Prozent-Versorgung tun. Geschätzter Stellenbedarf: Mindestens

100 zusätzliche ErzieherInnen. Langfristiges Arbeitsprogramm der Senatorin: Bis 1995 sollen insgesamt 4.400 neue Kita und weitere 1.700 zusätzliche Hortplätze geschaffen werden.

Umso ärgerlicher zeigte sich Uhl („Manchmal kann man förmlich in Wut geraten“) bei ihrer gestrigen 103-Amtstage -Bilanz über eine ganze Reihe von „Hängepartien“ bei der gegenwärtigen Kita-Versorgung: Weder in Tenever noch in der Thedinghauser Straße ist bislang der erste Spatenstich für die seit Monaten fest versprochenen neuen Kitas getan. Uhl: „Unsere Planung ist fertig, das Geld ist abrufbereit, aber die Baubehörde und auch die privaten Bauunternehmen sind ausgelastet bis zur Oberkante Unterlippe.“ Konsequenz der Sozialbehörde: In Zukunft soll ein eigener vierköpfiger Planungsstab den Neu- und Ausbau von Kitas von der Suche nach geeigneten Grundstücken bis zur schlüsselfertigen

Übergabe koordinieren.

Auf Eigeninitiative der Eltern setzt Uhl dagegen bei Bremens Allerjüngsten: Für die 0 bis 3-jährigen will Uhl die Eltern zu selbstorganisierten Betreuungsangeboten ermutigen und das Elternengagement durch finanzielle Förderung belohnen. Nach dem gleichen Konzept hofft Uhl auch, den aktuellen Konflikt beim Kinderhort Schleswiger Straße zu lösen.

Den Eltern, die wegen des akuten Platzmangels in ihrem Kinderhort seit Wochen das Gebäude der Akademie für Alte Musik besetzt halten, bot Uhl finanzielle und organisatorische Hilfe bei der Suche nach einem eigenen zusätzlichen Gruppenraum an: „Mehr kann ich im Augenblick wirklich nicht tun. Für die offizielle Eröffnung einer neuen Gruppe in der Schleswiger Straße habe ich we

der das Geld noch das Personal.“

Konfliktstoff steckt auch in einem zweiten Projekt auf dem Arbeitsprogramm der Jung-Senatorin: Schon im Juni will Uhl der Bürgerschaft ein neues Konzept zur „integrierten Drogenhilfe“ präsentieren - Neuauflage der Debatte um die legale Vergabe der Ersatzdroge „Methadon“ nicht ausgeschlossen.

Die Position der Scherf-Nachfolgerin dazu ist allerdings klar: Ehe die Erfahrung mit der bisherigen Regelung, nach der Methadon nur in medizinisch begründeten Härte-und Einzelfällen, vergeben wird, nicht ausgewertet sind, soll es keine Änderungen geben. Stattdessen will Uhl auf mehr Aufklärung, Prävention, stadtteilnahe Therapieangebote und Wohn- und Beschäftigungsprojekte für Drogenabhängige

setzen.

Methadon auf Rezept und unter ständiger ärztlicher Kontrolle wird es danach auch weiterhin nur für höchstens 40 Bremer Drogenabhängige geben. 30 der begehrten Plätze hat eine eigens eingerichtete Gutachterkommission bislang vergeben.

Verbesserte Hilfsangebote will die neue Senatorin auch für Sozialhilfeempfänger organisieren, die dank Computereinsatz bei der Sozialhilfeberechnung künftig schneller zu ihrem Geld kommen sollen, und für Leute, denen ihre Kredite und Ratenverträge über den Kopf gewachsen sind, eine „Koordinierungsstelle zur Schuldnerberatung“ ins Leben rufen. Allen übrigen konnte Uhl gestern eine Änderung des Amtsstils versprechen: „Ich knutsche nicht!“

K.S,