Milliardenspiel in Königs Wusterhausen

■ Riesiger Vergnügungspark bei Königs Wusterhausen geplant / Rat des Kreises verpachtete an Firma Interhotel 5.500-Hektar-Fläche / Milliardeninvestitionen auf ehemaliger Stasi-Fläche geplant / Überraschte Senatsplaner kommen sich vor wie in der Geisterbahn

Königs Wusterhausen. Pures Vergnügen soll das Projekt bereiten, Senatsplanern jedoch jagen die Pläne kalte Schauer den Rücken herunter: 50 Kilometer südlich von Berlin will die DDR-Firma Interhotel zusammen mit westlichen Investoren einen gigantischen Freizeit- und Vergnügungspark anlegen, der mit seinem Umfang nach Ansicht der örtlichen PolitikerInnen weltweit seinesgleichen suchen müßte.

Ein sage und schreibe 5.500 Hektar großes Areal hat Interhotel zu diesem Zweck bereits vom Kreis Königs Wusterhausen gepachtet. Am 9. Mai unterzeichneten der Rat des Kreises und Interhotel-Generaldirektor Fröhlich einen entsprechenden, unbefristet gültigen, Vertrag. Auf taz -Anfrage bestätigte das gestern das für Tourismus zuständige Mitglied im Rat des Kreises, Rolf Wettstädt vom Neuen Forum.

Das größtenteils bewaldete Areal, südlich von Teupitz gelegen, ist etwa 50 Kilometer von der Berliner Stadtmitte entfernt und hat jetzt schon einen eigenen Anschluß an der Autobahn Berlin-Dresden. Es gehörte nämlich bis zum 31. März einem Kommando der Stasi-Elitetruppe „Wachregiment Feliks E. Dzierzynski“. Das Regiment unterhielt dort seit den 70er Jahren nicht nur einen Truppenübungs- und Schießplatz, sondern auch Kasernen, ein Krankenhaus, Läden und Kinos: eine kleine Stadt für 2.000 Menschen.

Relativ kurzfristig will Interhotel das ehemalige „Kulturhaus“ der Stasi mit Gaststätte und Kinosaal wiedereröffnen; auch die jetzt ausgestorbene Ladenstraße soll wiederbelebt werden. Langfristig hofft der Kreis jedoch, so Wettstädt, nicht nur die „Zerstreuungsbedürfnisse“ von Millionen BerlinerInnen befriedigen zu können, sondern auch BesucherInnen aus Dresden, Leipzig oder Cottbus anzulocken. Welche Attraktionen das märkische „Disneyland“ bieten soll, sei freilich noch unklar, erklärt der Politiker.

Bislang habe Interhotel nur ein „vages“ Konzept vorgelegt; erst am 30. Juni will das Unternehmen eine „Feinkonzeption“ vorlegen, die dann auch von den neugewählten PolitikerInnen des Kreises bestätigt werden soll. Ein Investorenwettbewerb soll anschließend klären, welche westlichen Firmen sich beim Aufbau des Freizeitparks beteiligen können. Der Wald, der den größten Teil der Fläche bedeckt, sollte „weitestgehend“ erhalten bleiben, wünscht sich Wettstädt - freilich ist er nur noch bis heute im Amt. Künftig amtiert im Kreis eine Koalition aus SPD, CDU, DA und Liberalen.

Glaubt man dem Kreispolitiker, dann gibt es auf der ganzen Welt keine ähnlichen Projekte in dieser „Größenordnung“ weil man, so Wettstädt, derart „große Flächen auf der Welt nicht wiederfindet, außer vielleicht in Sibirien“. Trotz dieser Dimensionen wurde der Regionalausschuß, der den Kreisen und Gemeinden im Umland empfohlen hat, derartige Pläne vorab vorzulegen, bisher nicht informiert. Die Regionalplaner der Senatsstadtentwicklungsverwaltung fielen aus allen Wolken, als sie durch eine taz-Anfrage von dem Vorhaben hörten. Senatsplaner Dietrich Flicke, der der Standortplanungsgruppe des Regionalausschusses angehört: „Das widerspricht allem, was im Regionalausschuß beschlossen wurde.“ Bis in ein oder zwei Jahren ein Entwicklungskonzept für die gesamte Region vorliege, dürften solche „Klopper“ eigentlich nicht genehmigt werden.

Doch der Kreis hatte es eilig. Am 1. April hatte er die „Rechtsträgerschaft“ für das Areal erhalten, mußte jedoch fürchten, so Wettstädt, daß der Ministerrat das Grundstück bald wieder übernimmt und selbst verpachtet. Der Kreis wollte deshalb rasch selbst einen Pachtvertrag abschließen, um sich einen Einfluß auf das Projekt zu sichern. Er hat sich nicht nur Einfluß, sondern auch Einnahmen gesichert: Als Kaufpreis für die bestehenden Gebäude wird Interhotel dem Kreis und vier Anliegergemeinden 150 Millionen Mark zahlen.

Mit „sanftem Tourismus“ habe das Projekt zwar wenig zu tun, räumt Wettstädt ein; dafür bringe es Investitionen im „Milliardenhöhe“, „mehrere tausend Arbeitsplätze“ und dauerhafte Einnahmen.

hmt