Medienzaren wollen in Polens Zeitungsmarkt groß einsteigen

■ Frankreichs Medienriese Hersant sucht Partner / Nach der Auflösung des RSW-Parteikonzerns beginnt jetzt der Streit ums Erbe / 'Daily Telegraph‘ verhandelt mit 'Res Publica‘

Frankreichs Medienzaren sind auf der Suche nach dem großen Einstieg in Polens Presse. Dieses Bild ergibt sich inzwischen aus zahlreichen Sondierungsgesprächen, Absichtserklärungen und bereits abgeschlossenen Verträgen. Insbesondere der französische Hersant-Konzern ist schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach Partnern für ein gemeinsames Unternehmen. Hersant hat im eigenen Land bereits Schwierigkeiten mit der Expansion: Da der Medienriese (bekanntestes Hersant-Blatt 'Le Figaro‘) in vielen Teilen Frankreichs praktisch bereits den Tageszeitungsmarkt und einen großen Teil der Wochen- und Fachpresse beherrscht, gerät er zunehmend als Totengräber des Meinungspluralismus ins Kreuzfeuer der Kritik.

Inzwischen weicht Hersant immer mehr nach Osten aus, seit die Veränderungen dort auch in diesem Bereich Investitionen ermöglichen. So verfügt Hersant über den Krakauer Privatsender Fun-Radio bereits über 35 Prozent Sendezeit in Südpolen. Und schon seit Monaten sind Boten des Medienzaren unterwegs, um einen geeigneten Partner für den Einstieg ins Zeitungsgeschäft zu finden. Der Konzern denkt dabei längst nicht nur an eine Beteiligung an einem bereits bestehenden Titel, sondern möchte, wie in Warschau unter der Hand verlautet, „gleich groß einsteigen“, mit einem ganzen Sortiment an Illustrierten und Zeitschriften. Anfängliche Verhandlungen mit Vertretern der sehr intellektuell ausgerichteten Monatszeitschrift 'Res Publica‘ sind im Sande verlaufen, der Verlag, dessen Chef Marcin Krol sich schon seit längerem mit dem Gedanken trägt, eine Tageszeitung zu gründen, verhandelt zur Zeit mit dem britischen 'Daily Telegraph‘.

Mehr Glück scheint Hersant indessen mit der polnischen Regierungszeitung 'Rzeczpospolita‘ zu haben, die bereits eine entsprechende Absichtserklärung über eine Zusammenarbeit abgeschlossen hat. Das offizielle Organ der Regierung Mazowiecki ist nämlich trotz einer Umstellung des Layouts, der Konzeption und der inhaltlichen Linie nach wie vor defizitär. Zugleich sehen Insider jedoch auch die Gefahr, daß der Charakter des Blattes als Sprachrohr der Regierung durch eine Beteiligung eines ausländischen Konzerns in Frage gestellt werden könnte.

Dies um so mehr, als ihn die Redaktion gelegentlich in Frage zu stellen pflegt, zuletzt mit heftigen Attacken gegen die Außenpolitik der Regierung und einem Kommentar zur Benzinknappheit, in dem der Regierung schlicht Versagen vorgeworfen wurde. Das Geschäft zwischen dem Rzeczpospolita -Verlag und Hersant weist einstweilen allerdings noch zahlreiche Unbekannte auf. So wurde die Agentur für Auslandsinvestitionen, die Joint-ventures genehmigen muß, bisher noch nicht informiert. Unter der Hand ist auch zu hören, mit dem Einstieg der Franzosen sei mit weitgehendem Personalabbau zu rechnen.

Wirbel gibt es indessen auch um die angesehende Warschauer Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘, deren Schicksal aufgrund der Liquidierung des KP-Medienkonzerns „RSW“ nun in Händen der staatlichen Liquidierungskommission liegt (wir berichteten). Diese kann den Verlag der Belegschaft übergeben, wenn diese eine entsprechende Übernahme-Genossenschaft gründet, der mindestens die Hälfte Prozent der Beschäftigten angehört. 'Zycie Warszawy‘ weist inzwischen bereits drei solcher Gesellschaften auf, alle bewerben sich um die Übernahme. Eine davon steht wiederum Journalisten aus dem Umfeld der 'Res Publica‘ nahe - wobei klar ist, daß die notwendige Modernisierung des Blattes Investitionen erfordert, die kaum ohne Unterstützung ausländischer Geldgeber durchzuführen sind und aus Kostengründen dann auch Entlassungen anstehen werden. Dies erklärten Senator Stanislaw Stomma und Janusz Reiter der Belegschaft auch ganz offen auf einer Versammlung. Die beiden vertreten die erste Gesellschaft.

Neben einer weiteren Belegschaftsgenossenschaft, bewirbt sich auch noch das Verlagshaus Zycie Warszawy, gegründet vom bisherigen Chefredakteur Artur Howzan, um die Übernahme. Howzan hatte die Tageszeitung mit anderen Titeln des RSW -Konzerns bereits vor einiger Zeit in eine GmbH verwandelt, um sie vor der absehbaren Konzernliquidierung zu retten und eventuell der PVAP, der Howzan angehörte, zu erhalten. Die Rechnung ging nicht auf, da der Sejm mittlerweise die Umwandlung wieder aufhob. Nun lockt Howzan seine Mitarbeiter mit der Möglichkeit höherer Einkommen durch Zusammenarbeit mit einem ausländischen Konzern.

Laut 'Polityka‘ kommen da gleich mehrere ins Spiel: Der schwedische 'Dagens Nyheter‘, Robert Maxwell und die WAZ -Gruppe aus der Bundesrepublik. Robert Murdoch hat inzwischen abgewinkt, er wollte die Zeitung gleich ganz kaufen, biß aber auf Granit. Obwohl Howzan einen gewissen Startvorteil hat, sind seine Konkurrenten optimistisch. Aus politischen Gründen könne die Liquidierungskommission ihm kaum das Blatt überlassen, schließlich sei Howzan als Ex -Kommunist „Nomenklatura“, und im Sejm hat die Regierung schon genug Kritik dafür zu hören bekommen, daß sie die Partei nicht gleich völlig enteignet hat.

Keiner der bekannten Pressehaie, von Murdoch über Springer bis Maxwell und Hersant, hat in Polen bis jetzt den Einstieg geschafft. Der ist der L'Expansion-Gruppe aus Frankreich vorbehalten geblieben, die im März dieses Jahr ein Joint -venture mit der 'Gazeta Bankowa‘ (Bankzeitung) gestartet hat, der über eine gewöhnliche Kapitalbeteiligung hinausgeht. Der französische Wirtschaftsverlag will sich damit nämlich zugleich einen europäischen Wirtschaftsinformationsdienst aufbauen und verfügt zu diesem Zweck bereits über Zeitschriften aus neun Ländern, die unter einander Informationen, Daten und Artikel austauschen. So erscheinen nun in Frankreich Analysen der 'Gazeta Bankowa‘ über Polens Wirtschaft, während 'L'Expansion‘ die Leser der Gazeta über Trends in Europa auf dem laufenden hält.

Klaus Bachmann