Schmidt lobpreist Deng

■ Ex-Kanzler doziert in Peking über den Weltenlauf / Vornehme Zurückhaltung bei Kritik

Peking (taz) - Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist gestern in Peking von KP-Patriarch Deng Xiaoping empfangen worden. Nach dem knapp eine Stunde dauernden Treffen war der eine Rentner voll des Lobes für den anderen. „Deng“, erklärte Schmidt, „sei eine herausragende Persönlichkeit in der Geschichte Chinas“. Deng, der für den Schießbefehl am 4. Juni vorigen Jahres verantwortlich ist, dürfte sich über die warmen Worte gefreut haben. Für ihn war der Besuch eine gute Gelegenheit, sich wieder der Öffentlichkeit zu präsentieren, nachdem er jüngst mehrfach totgesagt worden war. Schmidt ist der erste namhafte westdeutsche Politiker, der seit dem Tiananmen-Massaker den chinesischen Genossen seine Aufwartung machte. Auch Parteichef Jiang Zemin ließ es sich nicht nehmen, den Hamburger Sozialtechnokraten zu empfangen. Schmidt, der seine Pension mit Vorträgen vor illustrem Publikum aufbessert, erläuterte zwischen den Terminen chinesischen Journalisten und Diplomanten seine Sicht des Weltenlaufs. Vorsichtig „off the records“ und „in Klammern“ kritisierte Schmidt dabei die brutale Niederschlagung der Studentenbewegung. „Ich denke, die chinesische Führung sollte verstehen, daß im Fernseh-Zeitalter (...) das Prestige Chinas in der westlichen Welt durch die Ereignisse im vorigen Jahr schwer beschädigt wurde.“

Er hoffe, erklärte Schmidt, daß Peking diesen „Image -Verlust“ wieder aufholen könne. Manch chinesischer Zuhörer fragte sich indessen, ob das Ansehen der KP ohne die Anwesenheit von zahlreichen TV-Kameras auf dem Tiananman -Platz weniger gelitten hätte. Einer fand die Anmerkungen des Ex-Kanzlers zu lasch: „Sie waren viel zu unkritisch, er hätte es sich leisten können, deutlichere Worte zu sagen.“

Boris Gregor