Keine Bank gibt den Bauern Kredit

■ DDR-Bauern fordern Chancengleichheit und eine gewisse Schonzeit für die nächsten Jahre, um den Anschluß nicht zu verpassen / Für das richtige Wirtschaften fehlen noch die Manager

Berlin (ap) - Laster um Laster mit Gemüse aus der Europäischen Gemeinschaft rollt zur Freude der Verbraucher in die DDR. Doch die Bauern gucken in die Röhre. „Eigentlich bräuchten wir drei Jahre Schonzeit, um auch nur ein bißchen Chancengleichheit zu haben“, schildert der Vorsitzende der Obstbaugenossenschaft „Pomona“, Frank Eisenmann, die Situation. Wir haben 140 Tonnen Äpfel im Lager, in Norddeutschland gibt es einen interessierten Verarbeitungsbetrieb, aber wir kriegen sie nicht über die Grenze.

Den Bauern in der DDR steht das Wasser bis zum Hals. Die Lagerbestände der Obstbauern, die Tiere in den fleischproduzierenden Betrieben und die Feldfrüchte kommen weder in den DDR- noch in den EG-Handel. „Bei uns liegen die Äpfel ja bloß rum, das macht nicht so viel Wind wie die Schweine, die totgeschlagen werden, aber schlimm ist es trotzdem“, sagt Marie-Luise Lange, stellvertretende Vorsitzende der Genossenschaft mit 150 Beschäftigten.

Fünf Kilometer vom Gelände der Genossenschaft „Pomona“ entfernt überragt der Hungerturm des mittelalterlichen Städtchens Bernau die Alt- und Neubauten. Ein Obst- und Gemüseladen der Kreisstadt in der Thälmannstraße bietet das gleiche Bild wie überall in der DDR: Ananas und Kiwis neben holländischen Tomaten. DDR-Früchte fehlen weitgehend im Angebot.

„Wir sitzen jeden Tag zusammen, um die Existenzfrage zu sichern“, erzählt Vorsitzender Eisenmann. „Heute morgen waren Holländer da und wollten uns eine Sortiermaschine verkaufen, die wir dringend brauchen.“ Doch die dazu nötige eine Million Westmark müssen die Genossenschafter erst mal verdienen.

Und da sie ihre Produkte nicht in den Westen verkaufen dürfen und die eigenen Landsleute lieber Äpfel aus Italien kaufen, die dreimal so teuer sind wie die heimischen, besteht gar keine Möglichkeit, die Ausgaben für diese Investition irgendwann wieder hereinzuholen. „Keine Bank gibt uns Kredit. Wir können ja auch keine Sicherheiten bieten. Wir wissen ja nicht einmal, mit welchen Zahlen wir rechnen sollen“, erklärt Eisenmann die verzweifelte Lage.

„Wir haben doch gezaubert“, umschreibt die Landwirtin die Ergebnisse ihres Betriebes unter sozialistischer Wirtschaftsordnung. Ersatzteile habe es seit sechs Jahren nicht auf offiziellem Weg gegeben, bloß noch über Kontakte der Ersatzteil-Mafia. Und nun sollen sie plötzlich managen.

Für die marktwirtschaftliche Landwirtschaft fehlen indes die geeigneten Berater. „Wir wissen doch gar nicht, ob die uns gute Preise machen“, beklagt Eisenmann seine mangelnde Erfahrung mit ausländischen Anbietern. Kontakte zu bundesdeutschen Genossenschaften bestehen zwar, doch „die Kollegen sind schlechte Berater, weil sie an der eigenen Existenz mehr Interesse haben als an den deutschen Brüdern und Schwestern“, sagt er. Auch vom früher allmächtigen Staat fühlt sich Genossenschafter Eisenmann im Stich gelassen: „Seit der Wende hat sich hier keiner mehr sehen lassen von denen.“

Einzige Abnehmer für die Äpfel von „Pomona“ sind zur Zeit sowjetische Soldaten, die haben noch einiges gut auf dem Konto der Genossenschaft und holen es in Naturalien ab.

Peter Stegemann