Grüne sondieren in Ost-Berlin

■ Beratungen des Bonner Bundesvorstandes mit Grüner Partei und Bürgerbewegungen / Diskussion über Wahltermin setzt Beratungen unter Zeitdruck / Zurückhaltung im Haus der Demokratie

Berlin (taz) - Die Debatte über vorgezogene gesamtdeutsche Wahlen hat diejenigen in der DDR und BRD unter Druck gesetzt, die noch keine grenzübergreifende Zusammenarbeit mit einer Schwesterpartei oder -organisation eingegangen sind. Die Fünfprozentklausel in der Bundesrepublik trägt ihren Teil dazu bei, daß jetzt erste Beratungen und Sondierungen der gegenseitigen Standpunkte im links-grün -bürgerbewegten Spektrum stattfinden. Zu diesem Zwecke traf am Montag der gesamte Bundesvorstand der Bonner Grünen zu einer zweitägigen Visite in Berlin ein. Auf der Liste der DDR-Gesprächspartner stehen die Grüne Partei, die Vereinigte Linke, der Unabhängige Frauenverband und das Bündnis 90.

Daß die Bonner dabei mit politischem Fingerspitzengefühl vorgehen müssen, zeigte bereits Unmut im Vorfeld. In einem offenen Brief hatte sich der Vorstand der DDR-Grünen am 9. Mai darüber beschwert, aus der Presse von den Absichten der bundesdeutschen Grünen erfahren zu haben. Ralf Fücks vom Bonner Bundesvorstand betonte denn auch gegenüber der taz, daß es gerade nicht um die Suche nach „Juniorpartnern“ gehe, sondern darum, trotz der Kürze der Zeit einen gleichberechtigten und demokratischen Prozeß in Gang zu bringen. Die Entscheidung, wer künftig mit wem zusammenarbeite, müsse in der DDR gefällt werden.

Dennoch: VertreterInnen der verschiedenen Bewegungen äußerten sich gestern vormittag im Haus der Demokratie zurückhaltend und vorsichtig über die bevorstehenden Sondierungen. „Reines Arbeitstreffen“, „nichts wird entschieden“, „Info-Gespräch“, „mal unverbindlich anhören, was die Grünen zu sagen haben“ - so wurden die Beratungen mit den Mitgliedern des Bundesvorstands gekennzeichnet. Ein reales Problem kommt allerdings auf die Bürgerbewegungen im Falle gesamtdeutscher Wahlen zu: da sie keinen Parteienstatus haben, können sie nicht antreten - es sei denn, auf dem Ticket der Bundes-Grünen.

Am nächten Wochenende will der Bundeshauptausschuß der Partei die Ergebnisse der Beratungen auswerten. Eine Vorentscheidung über Zielrichtung und Fahrplan soll dann auf der Bundesdelegiertenkonferenz am 8. Juni in Dortmund getroffen werden.

b.s.