Sexualstrafrecht reformieren

Feministischer Juristinnentag warnt vor schneller Übernahme des BRD-Rechts in der DDR / West-Senatorinnen bleiben fern  ■  Von Christine Olderdissen

Berlin (taz) - Vor einer vorschnellen Übernahme bundesdeutschen Rechts durch die DDR hat der 16.Feministische Juristinnentag am Wochenende in West-Berlin gewarnt. Zu der Jahrestagung waren rund 200 Juristinnen sowie Referendarinnen und Studentinnen zusammengekommen, darunter auch ein halbes Dutzend Juristinnen aus der DDR. In einer Resolution forderten sie anstelle der einfachen Übernahme des Strafgesetzbuchs der BRD durch die DDR die längst überfällige Reform des geltenden Sexualstrafrechts. Außerdem wandten sie sich gegen das im Schnellverfahren verabschiedete AusländerInnengesetz und sagten der Initiative „Ausländerinnen in der DDR“ ihre Unterstützung zu. „Unglaublich empört“ zeigten sich die Teilnehmerinnen des Feministischen Juristinnentags darüber, „wie sich die Berliner Senatorinnen der Diskussion mit der feministischen Basis entziehen“. Vier Vertreterinnen des Feminats waren zu einer Podiumsdiskussion am Sonntag eingeladen worden, um sich der Frage zu stellen: „Frauen an der Macht - mehr Macht für Frauen?“. Doch wer nicht kam, waren die Senatorinnen. Ingrid Stahmer, Heide Pfarr und Jutta Limbach hatten artig wenige Tage zuvor ihre Teilnahme abgesagt. Frauensenatorin Anne Klein, die auch aus den Reihen des Feministischen Juristinnentags hervorgegangen ist, ließ eine halbe Stunde vor Beginn der Podiumsdiskussion durch ihre persönliche Referentin Ika Klar mitteilen, Frau Senatorin sei „leider, leider verhindert“. Den Grund blieb sie allerdings schuldig.

Auch ohne Senatorinnen gingen Podium und Publikum hart mit deren bisheriger Arbeit ins Gericht. Unter der Diskussionsleitung von Halina Bendkowski, FrauenfrAKTION, berichteten Walpurga Glatz, Notruf, Kiane Lipschick, FU Berlin, und Olga Leisinger, stellvertretende Vorsitzende der ÖTV-Berlin, wie sie das Feminat bei der Förderung der Beratungsarbeit von vergewaltigten Frauen, bei der Bestellung von Frauenbeauftragten an den Berliner Hochschulen und im Kita-Streik hängengelassen hatte.

Die Senatorinnen, so das Resümee, greifen gerne Anregungen aus der Frauenbewegung auf und geben sie als eigene aus. Beliebt sei es, Initiativen zu starten, bei ihrer Umsetzung aber zu passen. Bitter hing die Feststellung im Saal, den Senatorinnen fehle der politische Wille, sich im Interesse von Frauen über Zuständigkeitsbestimmungen, Parteidisziplin und Finanzzwänge hinwegzusetzen.

Im Mittelpunkt des Feministischen Juristinnentages stand Rechtspolitik. Der Austausch über den beruflichen Alltag und das Selbstverständnis feministischer Anwältinnen kam daneben zu kurz. In einer Resolution zum Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes weist der Juristinnentag darauf hin, daß bereits heute ohne rechtliche Grundlage genetische Fingerabdrücke nicht nur von Tätern sondern auch von vergewaltigten Frauen und sexuell ausgebeuteten Kindern angefertigt werden. Der Entwurf sieht vor, die Anfertigung, Speicherung und Weitergabe derartiger Daten zu legalisieren, selbst wenn die Geschädigten nicht zugestimmt haben. Die Juristinnen fordern, den Entwurf auszusetzen und über „geschlechtsparitätisch“ besetzte Sachverständigenanhörungen für einen verbesserten Opferschutz im Strafverfahren zu sorgen.

Eine Arbeitsgruppe des Juristinnentags will sich in die Diskussion um eine Verfassung für welches (Deutsch-)Land auch immer einmischen, damit endlich in einer neuen Verfassung mehr Frauenrechte berücksichtigt werden.