Chance für Außenseiter auf dem Kinomarkt

■ Wie der Franzose Marin Karmitz Lungins 'Taxi Blues‘ produzierte

Ein französischer Produzent liest ein Drehbuch von irgendeinem Nobody aus der Sowjetunion, ist begeistert, stellt Material zur Verfügung und finanziert den Film. Die Geschichte von Taxi Blues klingt unwahrscheinlich, und Marin Karmitz ist auch in Frankreich ein Sonderfall. Sein Haus, MK 2, ist nicht nur eine Produktionsfirma, sondern verleiht auch Filme oder wertet sie in 18 eigenen Pariser Kinosälen aus. Die differenzierte Unternehmensstruktur erlaubt es Karmitz, der in Frankreich unter anderem Chabrols Eine Frauensache und Resnais‘ Melo produziert hat, flexibel zu agieren und immer wieder zu beweisen, daß auch „Außenseiter“ auf dem Kinomarkt eine Chance haben:

„Durch diese Struktur kann ich die Filme von der Produktionsseite aus sehen und die Auswertung nachordnen. Wenn ich einen Film machen will, schieße ich das Geld vor und hole es durch die Auswertung wieder rein. Vorfinanzierung gibt es nicht. Natürlich kann ich auf diese Weise keine Großproduktionen finanzieren, aber bis zu sechs Millionen Dollar kann ich mit meinen eigenen Mitteln gehen. So bin ich frei von fremden Geldquellen. Und so stelle ich mich gegen die umgekehrte Tendenz, die in Europa und der Welt vorherrscht und in der die Filme nur noch vom Standpunkt der Auswertung aus produziert werden. Das führt dazu, daß die Verleiher, das Fernsehen und die Geldgeber der „major companies“ - also Leute, die außerhalb der Produktion stehen - von vornherein entscheiden, wie ein Film auszusehen hat.

Diese Leute wollen natürlich standardisierte Produkte, so simpel, einfallslos und allgemeinverständlich wie möglich. Daher die Tendenz zu europäischen Großprodukten, die mit Vorliebe in Englisch gedreht werden - billige Fälschungen des amerikanischen Kinos.

(...) Ich glaube, diese Tendenz muß mit aller Schärfe bekämpft werden. Darum bin ich stolz auf die Produktion von Taxi Blues, immerhin die erste französische Koproduktion eines sowjetischen Films und meiner Meinung nach ein konkreter Ausdruck des Repekts der Unterschiede, für den ich eintreten möchte. Was gesellschaftlich für das künftige Europa gilt, muß auch im Kino stattfinden: nicht Assimilation, sondern Erhaltung der Vielfalt.“

Zu Taxi Blues hat Marin Karmitz umgerechnet zwei Millionen DM beigesteuert, wenig für westliche Maßstäbe, aber viel für einen Nobody aus der Sowjetunion. Karmitz hat Lungin bereits für seinen nächsten Film unter Vertrag. Er wird auch die drei nächsten Filme von Krzysztof Kieslowski produzieren, eine Trilogie mit dem Arbeitstitel Trois Couleurs. Die Titel der drei Filme lauten: Liberte, Egalite, Fraternite.

thc