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Giftgas-Abtransport bleibt weiter geheim

■ Wenig Interesse an Informationen der Friedensbewegung über den gefährlichen Abzug der C-Waffen über Bremen

Ganze 30 BremerInnen hatte der Aufruf von Friedensforum, DGB und „Naturwissenschaftlern für den Frieden“ am Montag abend zur Information über den Abzug der US-amerikanischen Chemiewaffen ins Konsul-Hackfeld-Haus gelockt. „Wenn Waffen kommen, ist die Betroffenheit eben größer, als wenn welche vernichtet werden sollen“, erklärte sich Friedensforum -Sprecher Christoph Butterwegge das „verhältnismäßig enttäuschende“ Interesse.

Immerhin handelt es sich bei dem vorgesehenen Abtransport von 435 Tonnen Giftgas aus Rheinland-Pfalz über Nordenham in den Pazifik um den gefährlichsten Umschlag, der jemals über die Häfen im Unterwesergebiet gelaufen ist. Bereits ein Liter des Nervengiftes VX kann eine Million Menschen töten. 0,015 Gramm auf der Haut - der dritte Teil eines Tropfens reichen aus, um einen Menschen innerhalb von Minuten umzubringen. Deshalb ist der Transport des Giftgases in den USA grundsätzlich verboten. In der Bundesrepublik soll er dagegen nach dem Motto „Giftgasmunition als Wahlkampfmunition“ im Eiltempo noch vor der Bundestagswahl über die Bühne gehen.

Die Friedensbewegung hat die Ankündigung des C-Waffen -Abtransportes in ein „Wechselbad der Gefühle“ gestürzt, das Flugblatt zur Veranstaltung am Montag abend war mit einem dicken „endlich“ überschrieben. Denn schließlich gehört ein C-Waffen-freies Deutschland schon lange zu ihren wichtigsten Forderungen. Doch dies soll nun mit einem hastig vorbereiteten Transport quer durch den am dichtesten besiedelten Teil Europas hindurch verwirklicht werden. Und es besteht weiterhin die Gefahr, daß der Abzug der ohnehin nur noch zu 20 bis 25 Prozent einsatzfähigen Giftgas -Granaten zum Anlaß genommen wird, sie lediglich durch die neuen binären C-Waffen zu ersetzen. So jedenfalls ist trotz aller anderslautenden politischen Erklärungen die gerade erst bestätigte Beschlußlage des Repräsentantenhauses der USA.

Bei ihrer Vorbereitung auf den C-Waffen-Abtransport, mit dem ab Juli zu rechnen ist, stochert die Friedensbewegung im dunkeln. Denn konkrete Informationen liegen bis heute nicht vor. Zwar sind bei den Bremer Behörden und bei Bürgermeister Wedemeier bereits mehrere Fragenkataloge eingegangen, beantwortet wurde jedoch noch nichts. „Für wie breit wird für den Fall eines GAU der Radius der tödlichen Gefahr gehalten, werden Evakuierungen für angebracht gehalten und sind die Rettungsdienste entsprechend ausgerüstet und trainiert?“ sind einige der Fragen, die der Bremer Chemie -Professor Dieter Wöhrle an Wedemeier richtete.

„Wir gehen nicht davon aus, daß Evakuierungspläne für Bremen notwendig sind“, beantwortete gestern der Pressesprecher des Innensenators, Kleen, gegenüber der taz eine der Fragen. Ansonsten seien Behörden, Katastrophenschutz, Krankenhäuser und Hilfsorganisationen mitten in den Beratungen. Vieles davon müsse allerdings geheim bleiben - eine Auflage der Bundesregierung, gegen die Bremen immer wieder „Vorbehalte geltend gemacht“ habe. „Bei uns müßte die C-Waffen-Vernichtung so öffentlich diskutiert werden wie in den USA“, wünscht sich der Sprecher des Innensenators.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Bisher ist die Bremer Landesregierung noch nicht einmal selber darüber informiert, ob die rund 14 Züge mit den 154.000 Giftgas-Granaten überhaupt den Bremer Hauptbahnhof passieren werden oder ob sie über Oldenburg nach Nordenham rollen sollen. Und selbst wenn die Bundesregierung die endgültige Planung mitteilt, kann es sein, daß sie der Geheimhaltung unterliegen wird. „Wir müssen dringend eine Informationspolitik der Bundesregierung verlangen“, meint denn auch der Bremer Innensenator.

Für den kleinen friedensbewegten Kreis am Montag abend blieb denn auch die Frage nach dem eigenen Verhalten offen. Schließlich hat niemand ein Interesse daran, den gefährlichen Transport zum Beispiel mit einer Sitzblockade in Bremen aufzuhalten. Am 7. Juni ab 16 Uhr soll zunächst vor dem Hauptbahnhof mit einer Aktion über das Problem informiert werden.

Dirk Asendorpf

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