Markthalle: Flop oder Boykott?

■ Vom Freßtempel zum Gemüse- und Obstparadies / „Konzertierte Boykottaktion der Einzelhandeslobby“

Im „Vollwertrestaurant“ stellt sich zur besten Mittagszeit ein halbes Dutzend verlorener Kunden ihren Salatteller aus „den 50 täglich frisch zubereiteten Salaten“ zusammen, einen Nachschlüssel von „Mister Minit“ braucht überhaupt niemand, der Bedarf an „Canapee mit Lachs für DM 3,80“ ist anscheinend gedeckt, und im Geschenke-Shop hat man offensichtlich die Hoffnung auf Kundschaft schon ganz begraben: Der Laden ist verwaist. - Sechs Wochen nach der Eröffnung droht die Bremer Markthalle im ehemaligen Zentralbad zum Riesenflop zu werden.

Überbordende Üppigkeit zwischen heimischen Kartoffeln und exotischen Früchten? Fehlanzeige. Ganze drei Gemüsestände verlieren sich im weitläufigen Chrom-Marmor-Acryl-Ambiente zwischen Champagnerständen und italienischen Delikateßhäppchen. Lärmende Geschäftigkeit feilschender Marktschreier in schaulustiger Menge? Nichts da. Gähnend sackt eine Verkäuferin hinter ihren Paprikaschoten auf den Hocker zurück, kaum ist eine verirrte Kundin vorbeigehetzt. Am meisten aber fehlen: Menschen.

40 Millionen hat der Frankfurter Investor, Salamon Korn, mit einem Partner in die Markthallen gesteckt. Korn hat schon eine Erklärung für den zähen Anlauf des mit viel Vorschußlorbeeren bedachten Konzepts: Die negative Berichterstattung in Weser-Kurier und Bremer Nachrichten. Korn: „Uns erst mies- und sich dann über ausbleibende Kundschaft lustig machen - das ist eine sich von selbst erfüllende Prophezeihung. Jedes Mal, wenn wir Licht am Ende des Tunnels sehen, kriegen wir von der Presse wieder einen drauf.“

Allerdings räumt Korn auch konzeptionelle Fehler ein: 1. Ein gemeinsames Werbe- und Marketing-Konzept fehlt. Jeder Stand wurstelt bislang auf eigene Faust. 2. Das Angebot ist falsch zusammengesetzt: Einer Überzahl von Imbiß- und Delikateß-Ständen steht eine Minderheit von Ständen gegenüber, die jeden Markt zum Markt machen: Bäcker, Fleischer, Gemüsehändler.

Selbstkritisch räumt Korn ein, daß er sich möglicherweise allzu sehr auf die Baugesellschaft „Strabag“ verlassen habe, von der das Projekt schlüsselfertig und mit unterzeichneten Mietverträgen übernommen habe. Jetzt will Korn selbst neue Interessenten, die besser in die Angebots-Palette passen, mit großzügigen Sonderkonditionen locken. Allen, die trotz der Startschwierigkeiten durchgehalten haben, sagte Korn bei einer „Hausversammlung“ inzwischen mehrmonatige Mietstundungen zu.

Hinter vorgehaltener Hand haben die Standbesitzer selbst eine ganz andere Erklärung für den klassischen Fehlstart: Sie fühlen sich als Opfer einer „konzertierten Boykott -Aktion“ der Bremer Einzelhandelslobby. Kurzfristig seien renommierte Bremer Händler aus der Markthalle ausgestiegen, um sich so die ungeliebte Konkurrenz für die eigenen Innenstadtgeschäfte vom Hals zu halten. Anderen Bremer Interessenten sei daraufhin über ihre Innungen signalisiert worden: „In der Markthalle hat keiner was zu suchen!“ Erst durch die Boykottaktion sei auch die gesamte Angebots -Palette völlig aus der Balance geraten, habe sich die Markthalle vom Einkaufs-zum Freßtempel entwickelt. Um den Eröffnungstermin einzuhalten, hätte kurzfristig jeder Mieter

ohne Rücksicht auf das Gesamtkonzept genommen werden müssen.

Für Bremens Einzelhandelsverbands-Chef, Helmut Zorn, mit einer Reformhaus-Filiale selbst kurzfristig Mieter in der Markthalle, sind solche Spekulationen nur Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Grundübel der Markthalle: „Ein Halle, die zu drei Vierteln aus Imbißständen und zu einem Viertel aus Verkaufsständen besteht, ist für mich keine Markthalle. Nur deswegen bin ich wieder ausgestiegen.“ Die

Gebliebenen wollen sich davon die Laune dennoch nicht vermiesen lassen. Übereinstimmender Tenor gestern: Wir halten durch. Es kann nur aufwärts gehen.

Schon in den nächsten Monaten soll es „tonnenweise“ Obst und Gemüse geben und ein komplettes Angebot von frischer Öko -Ware. Weitere gute Ideen wollen die Nutzer in der nächsten Woche bei einer ersten gemeinsamen Sitzung sammeln. Für ihre Umsetzung soll ein „richtig demokratisch gewählter Sprecherrat“ sorgen.

K.S.