Schmücker-Prozeß: V-Mann vernommen

■ V-Mann „Wien“ erhielt 763.000 DM / Kein Schweigegeld?

Essen/West-Berlin. Wenn der Zeuge konkrete Angaben zum Tathergang machen sollte, passte er. Der geheimnisvolle V -Mann des Berliner Verfassungsschutzes, Volker von Weingraber Edler zu Grodeck, wußte Details immer nur dann zu berichten, wenn es darum ging, die erhaltenen Zahlungen zu rechtfertigen. Wer aber wann mit wem die konkreten Tatvorbereitungen für die Ermordung des damals 22jährigen Studenten Ulrich Schmücker im Juni 1974 in Berlin traf, schien in der Erinnerung des früheren Top-Informanten reichlich verblaßt.

Fast 16 Jahre nach dem Fememord, zu dem sich ein „Kommando Schwarzer Juni“ bekannte, ist das „Phantom“ Weingraber immerhin aufgetaucht - 500 Kilometer vom Tatort entfernt in der Polizeischule im Schloß Schillenberg am Stadtrand von Essen und bei ausgeprägtem polizeilichem Personenschutz. Ein Untergremium des 2. Berliner Untersuchungsausschusses, der die Verstrickungen des Landesamtes in die Schmücker-Affäre untersucht, mußte eigens zur Vernehmung anreisen.

Weingraber - Deckname „Wien“ - wies alle Vorwürfe über die an ihn geleisteten immensen Zahlungen zurück. Von einem „Schweigegeld“ zur Vertuschung der VS-Beteiligung am Schmücker-Mord wollte der V-Mann, der jahrelang von der Behörde den Gerichten vorenthalten wurde, gar nichts wissen.

Nach seiner Enttarnung 1986 hatte „Wien“ im Laufe eines Jahres über 763.000 DM erhalten. „Zu wenig“, wie der V-Mann gestern meinte: Verdient hätte er dabei nichts, die Zahlungen seien ausschließlich für seine Unkosten und seinen Verdienstausfall verwendet worden.

Geschäftstüchtig zeigt sich der Edle von Grodeck aber auch gestern. Weil er bedroht sei, mußte der Berliner Innensenat zur „Absicherung seiner Familie“ zur Ladung des ehemaligen Informanten eine Lebensversicherung aussetzen: 250 Millionen Lire soll Weingrabers italienische Lebensgefährtin für den Fall erhalten, daß er Opfer eines terroristischen Anschlages werden könnte. Aber auch ohne Attentat wird Geld fließen: 250.000 Lire erhält der Zeuge für jeden Vernehmungstag als Aufwandsentschädigung.

Wolfgang Gast