Hohe Wellen

■ "Leuchtschrift im Darkroom", taz vom 17.5.90, "Feuer unter Praunheims Arsch", "Praunheim -'der Verräter'" , "Aufruhr in der Schwulenszene", taz vom 18.5.90

betr.: „Leuchtschrift im Darkroom“, taz vom 17.5.90, „Feuer unter Praunheims Arsch“, „Praunheim - 'der Verräter'“, „Aufruhr in der Schwulenszene“, taz vom 18.5.90

Die Betroffeneninitiative der Junkies, Ex-User und Substituierten (J.E.S.) schließt sich der Empörung und der Reaktion der Deutschen Aidshilfe an, die Rosa von Praunheims Rundumschlag gegen schwule Sisyphusarbeit mit HIV und Aids und gegen schwule Sorglosigkeit ausgelöst hat.

Die Eitelkeit der schwulen Autorität schlägt Wellen - nicht sauber, nur hoch müssen sie sein. Offenbar setzt der permanente Verwertungszwang den Filmemacher Mischwitzky (Praunheim) unter Druck.

Daß diese trübe Flut ganz nebenbei die anderen Betroffenengruppen überspült - die moralische Instanz Praunheim ist daran nicht interessiert. Wir werden nicht lange warten müssen, bis die Phalanx der Hardliner der Aidspolitik sich die Greuel Praunheims freudig zu eigen macht. Prügel, die der Oberschwule Praunheim seinen ungezogenen Kindern verpaßt, werden unterschiedslos von Heterosexuellen und Fixern kassiert, wenn den Aidshilfen der Geldhahn runtergedreht wird oder Maßnahmen gegen „unverantwortliche“ Virusträger anstehen.

Die Vorgehensweise Mischwitzkys ist verantwortungslos; er schadet den HIV-infizierten und aidskranken Drogengebrauchern ohne Rücksicht auf Verluste.

Werner Hermann im Auftrag des J.E.S. Sprecherrates, Berlin

Kommt ein Gewitter vom Berg - zieht es in der Burg

Der doppelzüngige Renegat und Kollarborateur Rosa von Praunheim, der jahrelang sein Unwesen in der schwulen Szene unter diesem Namen führte, hat - jedenfalls für die Aids -Hilfe - privatisiert. Unter dem Namen Holger lebt er heute auf dem Müllhaufen der Schwulenbewegung, der bürgerlichen Gesellschaft, weiter. Dieser Nestbeschmutzer hat - in Tateinheit mit einem Lakaien des Imperialismus, der in der Form der Dreckschleuder auftritt - versucht, die eingeforderte schwule Solidarität in einen Kampf aller gegen Aids münden zu lassen. Die Aids-Hilfe will weiterhin ungestört trauern können, ungestört von Verrätern die alles nur miesmachen wollen. Aids von einem schwulen Problem zu einem gesellschaftlichen zu machen ist unsolidarisch.

Der größte Hammer aber ist, das Praunheim den Schwulen das abspricht, was doch sonst in unserer Gesellschaft allerorten so gut funktioniert: die Eigenverantwortlichkeit. Sind nicht unsere Politiker ihrem Gewissen verantwortlich? Fahren nicht Millionen Autofahrer freiwillig Tempo 100? Wer ißt noch Joghurt aus Plastikbechern? Wer, wie dieser „Holger“, all dies nicht erkennt, ist schizophren und weder des Zusammensetzens noch der Auseinandersetzung wert.

Oder er lebt in einer Gesellschaft, die lieber verdrängt als wahrnimmt, in der Psychopathen mit stalinistischem Wörterschatz über die Reinheit ihrer Sekten und das Primat der Homosexualität wachen.

Da stehst du machtlos da, die Blätter fallen nieder.

Rüdiger Frerichmann, Lobbach

Erst den Rundumschlag von Rosa veröffentlichen, weil der ja so schön radikal ist, und am nächsten Tag den Rundumschlag der beleidigten Angeklagten. Superlative gibt es nicht im Leben, und wenn alle Schwulen Rosa verlassen hätten, wären die Diskussions- und Informationsveranstaltungen bei den Filmen nicht möglich, aber sie funktionieren und sind wichtig der Sache wegen.

Am ersten Tag waren zum Beispiel keine Flugblattverteiler dort, wie von Euch behauptet. Und wenn Ihr schon den Artikel im 'Magnus‘ zitiert, schreibt auch, daß er vom Pressesprecher der BAH geschrieben wurde, weil er zurückschlagen wollte, und die Doppelseite vorher als Lobartikel auf Rosas Filmschaffen gedruckt ist, in dem sogar behauptet wird: Wenn es von Praunheim nicht gäbe, müßte man ihn erfinden!

Wenn die DAH so eine große Rolle spielt, hätte sie es Rosa nicht überlassen brauchen, diese Aids-Triologie zu produzieren und zu zeigen. Alle haben den Film Feuer unterm Arsch unterstützt und mitgemacht. Fast alle finden ihn gut und halten Rosa zugute, daß er es überhaupt macht, der Sache wegen natürlich. Die, die im Film nicht so gut wegkommen oder gar lieber weggelassen wurden statt niedergemacht, sind nun die persönlich Gekränkten und können nicht mehr unterscheiden zwischen der Sache Aids und der Karrieregeilheit Praunheims.

Dabei hat er es nicht nötig, sich dadurch einen Namen zu machen, er hat nämlich schon einen. Und den ihm abzuerkennen, liegt nicht in der Hand derer, die sich bis jetzt selbst genügt haben.

Ich kann den 'Spiegel'-Artikel nicht gutheißen, weil er unüberlegt ist und der falschen Öffentlichkeit präsentiert wurde, aber der Film und die Infoabende sind (der Sache wegen) so wichtig, daß ich einen Boykott als lächerlich empfinde!

BeV Stroganov, Berlin