Schwarz auf weiß: Rassismus in nuce

■ Deutsche Uraufführung von Tillys „Ein Fest für Bimbo“ im Freiburger Kammertheater

Kim Bassinger, unlängst noch von Batmans rettender Hand an ihrem blonden Schopf aus dem Unglück gezogen, ist an der Seite des schwarzen Rockstars Prince gesehen worden. Sie hätten mit einer kurzen, aber heftigen Romanze, so kommentiert ein renommiertes Nachrichtenmagazin, ein soziales Tabu gebrochen - in Hollywood jedenfalls. Die Filmproduzenten planen bereits Neuauflagen des verkaufsträchtigen Sujets: Liebe grenzenlos nach dem bewährten Schema „Milch und Schokolade“.

Ein Fest für Bimbo, das Stück des französischen Dramatiers und Schauspielers Fran?ois Tilly, das am Samstag im Freiburger Kammertheater unter der Regie von Andreas Marber seine duetsche Uraufführung hatte, handelt von derselben Mischung heikler Themen: Rassismus und Sex.

Aimee, mit Lockenwicklern im Haar und 'Paris Match‘ in den abwaschrauhen Händen, sitzt unter der Trockenhaube und liest: Leben live aus den Hochglanzmagazinen. „Kalt wie 'ne Hundeschnauze, diese Catherine Deneuve“, sagte sie. Raymond, ihr Mann, steht am anderen Ende der Küche. Neben der Verehrung de Gaulles scheint die einzige Regung, die er noch verspürt, die intakte Physiologie unter der Gürtellinie zu sein.

Das Geld reicht den beiden Pensionären in der Provinz hinten und vorne nicht. Zumal Christelle, die Enkelin, wie ein Scheunendresscher frißt. Von ihren Eltern, die nur in Afrika arrivieren konnten und dort die haute vole mimen, ist die Sechszehnjährige zu Oma und Opa nach Frankreich geschickt worden. Sie hat zu Hause in Afrika eine Affäre mit einem Schwarzen begonnen. Jetzt besucht sie eine Klosterschule. Aber Oma liebt das freche Gör, sie ist die einzige Abwechslung, seitdem der Hund tot ist.

In dieser Küche hängt der Duft der Langeweile, wie anderswo der Bratendunst vom Vortag. Und spätestens bei der Ankunft Marie-Jos, der Tochter, erweist sie sich als wahre Teufelsküche. Ein schmaler Gang - so eng wie die Verhältnisse - quer durch den Saal: Linoleum auf dem Fußboden und große Fensterscheiben, hinter denen die ungewöhnliche Hitze des bretonischen Sommers für das Rentnerpaar fast afrikanisch wirkt. Ein Gewächshaus der verdörrten Gefühle, in das die Zuschauer von beiden Seiten Einblick haben.

Ein Fest für Bimbo, das drei Tage umfassende Stück, wäre eine Milieuschilderung nach altbekanntem Muster, wenn nicht Modeste wäre. Marie-Jo, die Siebziger-Jahre-Schönheit mit hohem Dutt und im Safari Out-fit, hat vorsichtshalber nicht nur ihr Silber aus Afrika mitgebracht, auch ihr Boy (Tshisungu Kalomba) ist mit dabei. Wo der schlafen soll, fragt Raymond mürrisch und gibt unmißverständlich zu verstehen, daß in sein Haus kein Schwarzer kommt. Aber Modest - das heißt französisch „bescheiden“ - macht seinem Namen alle Ehre: Er ist zurückhaltend und gehorsam, kocht, wäscht ab, und erweicht am Ende sogar das Herz von Aimee. Als er das erste Mal mit ihr im Supermarkt war, berichtet sie im Überschwang, hat er so große traurige Augen bekommen, ganz wie Pirate, ihr verstorbener Boxerhund.

Am dritten Abend kommt Modeste von einem Fest wieder. Er sagt zu Madame: „Ich brauche dich. Ich bin erregt.“ Sie küßt ihn. Dann stößt sie ihn weg und spuckt aus. Ob er vergessen habe, daß sie eine Weiße sei: „Ich bin Rassistin, ich mag Schwarze nicht, ich werde sie nie mögen.“ Marie-Jo wird hysterisch und ruft nach dem Vater. Der nimmt sein Jagdgewehr, nicht umsonst war er in Indochina, und zielt auf den schwarzen „Bimbo“. Mutter Aimee ruft: „Ich habe gleich gesagt, ein offener Mensch ist das nicht.“

Ein einziger Höhepunkt in einem spannungslosen Drama, obwohl der Inszenierung von Andreas Marber nichts vorzuwerfen ist. Aggression und Kommunikationslosigkeit benutzt er als Ingredenzien für die kleinbürgerliche Alltagsalchemie. Daß Rassismus dabei allzu schnell auf ein milieubedingtes Klischee reduziert wird, legt die Vorlage nahe. Sein Rezept aber für ein undramatisches Stück heißt: Geschwindigkeit. Und so rast das Gespann dreier Frauengenerationen durch die Dialoge: Sie haben sich ohnehin nicht viel zu sagen, und auf dem Schlachtfeld der Familie muß jeder Hieb treffen, schnell und unvermutet. Aber während Ilse Boettcher (Aimee) und Dina Sikiric (Marie-Jo) im Siebziger-Jahre-Look souverän und mit Charme am Rande absurder Geschmacklosigkeit balancieren, gerät Marietta Meguid als Christelle zum Abziehbild der Inszenierung. Sie ziert und windet sich und wirkt so schablonenhaft wie der Rassismus, der uns hier präsentiert wird.

Bimbos Fest wird - angereichert mit Versatzstücken blumenreicher Häßlichkeit der Siebziger, Miriam-Makeba-Songs der Achtziger und den Pornogelüsten des Indochina-Invaliden

-zu einem Trauerspiel. Bimbos Fest bedeutet, daß es kein Fest gibt für Modeste. Und ein Trauerspiel ist es, weil alles, was mit dem Gestus des „so ist es“ schwarz auf weiß erzählt wird, ganz schnell nur den dünnen Nachgeschack „als ob“ hinterläßt.

Nein, sein Stück habe keine Botschaft, sagt Tilly. In Frankreich, alsY'a bon Bamboula - so der Titel des französischen Originals - 1987 in Avignon uraufgeführt wurde, war es ein großer Erfolg. Es war vor allem komisch. Aber Sozialkritik mit dem Zaunpfahl, Schwarzweißmalerei nach altbekanntem Muster: enge Verhältnisse, stickige Luft, mit einer Prise Komik in den Dialogen, das allein reicht nicht, um dem Rassismus - seit einigen Wochen so beängstigend wie lange nicht - eine Bühnenform zu geben.

Martina Meister

Tilly: „Ein Fest für Bimbo“, Kammertheater Freiburg. Die nächsten Aufführungstermine: 25. und 26.Mai