Die gesamtdeutsche Nummer ist im Kommen

Was nach dem Anschluß mit den Postleitzahlen, den Telefon-Vorwahlen und den Autonummern passieren soll / Bald fünfstellige Postleitzahlen? / Kampf um das Autokennzeichen „L“ zwischen Leipzig und dem Lahn-Dill-Kreis in Sicht  ■  Von Hans-Hermann Kotte

Eins ist schon längst klar: der Anschluß unter Nummer 23. Aber was ist mit den deutsch-deutschen Alltagsnummern auf Briefen, Wählscheiben und Autos? Noch tagen auch bei diesen brisanten Themen bilateral runde Tische auf allen Verwaltungsebenen. Doch langsam kristallisiert sich heraus, daß auch hier die kapitalistische Organisationsgewalt triumphieren wird.

Natürlich nur, weil das einfach praktischer ist. Zum Beispiel die vierstellige Postleitzahl, die der revolutionäre BRD-Postminister Richard Stücklen 1961 einführte. Das Ausland zog nach, und auch der deutsche Bruderstaat. Darum doppelt sich heutzutage so einiges, zum Beispiel die Stadt des Geistes, 5300 Weimar, mit der zukünftigen Geisterstadt 5300 Bonn. Weshalb die Beamten der Deutschen Post und der Deutschen Bundespost momentan schier verzweifeln, denn die national gestimmten Bürger beider Seiten verzichten schon jetzt zunehmend auf die notwendigen Staatskürzel vor den Postleitzahlen. Wie also in Zukunft postalische Irrwege vermeiden?

Laut Bundespostministerium bleiben zwei Möglichkeiten: Weil von eins bis acht schon alles vergeben ist, wäre nur 9000 ff. noch verfügbar sowie Kombinationslücken bei anderen Zahlen. „Wenn wir die DDR hier reinpressen, wird es mit dem logischen Aufbau schwer“, kommentiert Pressesprecher Zapf. Er favorisiert die „wahrscheinlichere“ Lösung: Totalumstellung des neuen Deutschlands auf ein fünfstelliges System. Das dauere zwar mindestens zwei Jahre - habe aber den Vorteil, daß mit der fünften Ziffer „auch das Zustellpostamt drinwäre“. Dieses muß bisher in der Bundesrepublik noch umständlich hinter dem Ortsnamen vermerkt werden.

Auch beim Fernmeldedienst der Post, neuerdings und neudeutsch Telekom geheißen, gibt es das Problem mit den Dopplungen - bei den Vorwahlen. Noch ist es nicht akut, denn im Telefonverkehr ist die DDR trotz besonderer Tarife ja immer noch Ausland (außer bei der Auskunft).

Doch beim Verschlingen der Netze wird es komplizierter werden. „Bis auf die Drei für West-Berlin ist alles weg“, meint Telekom-Sprecher Bruchmüller. Zwar könnten flotte Dreierkombinationen „vielleicht für die ganze DDR ausreichen“, doch da gebe es noch eine andere Alternative. Der Bereich Nürnberg mit der Ziffer Neun und ihren Abwandlungen könne für die DDR „freigemacht“ und München (mit der Acht) angegliedert werden. Welche Lösung kommt, sei noch nicht entschieden.

Alles plaketti hingegen bei der Hochgeschwindigkeitstruppe um CSU-Bundesverkehrsminister Friedrich Zimmermann, die auch die DDR alsbald zum stoßgedämpften Asphaltparadies machen will. Das bundesdeutsche Zulassungs- und Kennzeichensystem werde für die DDR „übernommen“, verkündet Sprecher Schimikobski. Vater des so aalglatt möglichen Schilderwechsels ist der gute alte kalte Krieg. Denn Anfang der fünfziger Jahre „blockierte“ die Adenauer-Regierung die Ausgabe von Buchstaben und Buchstabenkombinationen, die sich mit früheren ostdeutschen und möglichen wiedervereinten Autokennzeichen doppeln könnten. Einzige Ausnahme ist bis heute „L“ für Leipzig, das in der BRD für „Lahn“ steht.

Schuld daran sind die hessischen Sozis. Die legten in den siebziger Jahren per Verwaltungsreform Gießen, Wetzlar und Dillenburg zu einem riesigen Landkreis „Lahn“ zusammen. Inzwischen ist die Reform wegen erheblichen Bürgerunwillens rückgängig gemacht, weshalb der Sprecher des Verkehrsministeriums sich, was die Chancen von Leipzig angeht, optimistisch gibt: „Im Raum Gießen laufen die L -Schilder schon langsam aus.“ Nicht so jedoch im neugruppierten Lahn-Dill-Kreis. Dort wird von den Zulassungstellen noch fleißig das L ausgegeben. Und wenn man dem Sprecher des Landkreises, Schäfer, glauben darf, wird das auch so bleiben. Er hält die Ad-hoc-Umstellung von 150.000 Autos für zu teuer: „Das würde weit mehr als 75 Millionen Mark kosten“.

Und was wird, wenn Lahn bleibt? „LPG“ für Leipzig geht gar nicht, womöglich droht dann eine weitere Revolution. Oder vielleicht „HL“ für die Heldenstadt? Zu spät: Diese Kombination hat sich längst die Hansestadt Lübeck gesichert. Weitere Vorschläge bitte an die Redaktion.