„Nicht nur ein bißchen rechtsextreme Nörgelei“

Soziologieprofessor Arno Klönne, Paderborn, zur Zukunft des Rechtsradikalismus und der „Republikaner“  ■ I N T E R V I E W

taz:Werden die Reps entsprechend den Prognosen der Wahlforscher bald von der politischen Bühne verschwinden?

Klönne:Es ist denkbar, daß die Partei der Reps eine zeitweilige Erscheinung bleibt, aber das Potential, das durch die Wahl der Reps zum Ausdruck gekommen ist, wird damit nicht verschwunden sein. Für die Antwort, was wird aus dem Rechtsextremismus in der BRD oder zukünftig in Gesamtdeutschland, ist die Parteiform Rep gar nicht entscheidend.

Was ist dann entscheidend?

Es gibt unter Wirtschaftsfachleuten gar keinen Zweifel daran, daß die ökonomische Umwälzung in der DDR dort tiefe negative soziale Spuren hinterlassen wird, so daß wir, wenn wir vom Beginn der 50er Jahre absehen, zum ersten Mal ein erhebliches soziales Problempotential hätten, das auch auf die Bundesrepublik zurückwirken wird. Das heißt, wir werden eine stärkere soziale Differenzierung mit ausgesprochenen Problemschichten und -regionen erhalten. Von der sozialmateriellen Seite her wird da zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte ein quantitativ erheblicher Boden entstehen, der für entsprechende Politik- und Ideologieangebote der Rechtsextremisten empfänglich sein wird.

Soziale Verunsicherung oder materielle Bedrängnis muß sich nicht automatisch in rechtsradikaler Gesinnung niederschlagen. In der jüngeren deutschen Geschichte war das aber bislang immer der Fall.

Für die deutsche Geschichte nach 1933 ist das weitgehend richtig. Ein Grund in der BRD dafür ist, daß die Sozialdemokratie kaum noch in der Lage ist, soziale Protestströmungen an sich zu binden, da sie sich ja sehr stark auf ihre Weise als Partei der Modernisierung versteht. Die Grünen haben in dieser Richtung hin nichts vermitteln können, radikalere linke Positionen sind aus vielerlei Gründen nicht massenwirksam. Es ist also nicht zu sehen, wie von links her politische Botschaften kommen sollen, die ein soziales Unbehagen angehen könnten.

Rechtsextreme Agitation knüpft an bereits vorhandene Denkstrukturen im Bewußtsein an, die - ich denke da an die nationale Hochstimmung - massiv von CDU/CSU und auch von der SPD gestützt werden.

Die nationale Hochstimmung ist eher als parteitaktisches Mittel der CDU/CSU und mit etwas hängender Zunge auch der Sozialdemokratie zu sehen. Angesichts der faktischen wirtschaftlichen Internationalisierung wird der klassiche Nationalismus keine so große Rolle mehr spielen, sondern eher sozialdarwinistische Ideologien, die umschlagen werden in neue rassistische Gefühle und natürlich noch Querverbindungen zum traditionellen Nationalismus besitzen. Man wird damit rechnen müssen, daß faschistische Politikentwürfe ernsthaft konkurrieren können mit liberalen. Nach 1945 hat man das vielleicht vergessen, weil es so erschien, als sei der Faschismus durch das Ende seiner deutschen und italienischen Form historisch erledigt. Aber in anderen Varianten tritt das wieder auf. Wenn man das Normalisierung nennen will, hat das etwas Zynisches...

und Verharmlosendes...

Ja natürlich, denn es gibt mehrere Gründe dafür, daß sich das vermehren wird. Zum einen, daß linke Gegenentwürfe zur politisch liberalen Form des Kapitalismus historisch in Mißkredit gekommen bzw. auch gescheitert sind. Da ist ein Vakuum entstanden, in das grundsätzliche Kritik an der gegenwärtigen Gesellschaft von Rechtsextremen hineinstoßen kann. Zum zweiten fordert die ökonomische Internationalisierung ja fast zwangsläufig Gegenreaktionen heraus, die ihre eigene Ideologie brauchen und von daher auf klassische faschistische Gedankenmuster zurückgreifen. So unangenehm das auch für mich ist, ich halte es für relativ wahrscheinlich, daß nicht nur ein bißchen rechtsextreme Nörgelei an der liberalen Gesellschaft, sondern in der Tat ein ernstzunehmender faschistischer Gegenentwurf zur liberalen Gesellschaft anwachsen wird.

Was verstehen Sie unter faschistischen Politikentwürfen?

Erstens die Anschauung, daß sich Geschichte und Gesellschaft nur regeln lasse nach dem Prinzip des Rechts des Stärkeren, also des Untergangs des Schwachen. Das verbindet sich mit der Vorstellung, man müsse das eigene Terrain sichern, abriegeln gegen den vermeintlichen fremden Zugriff, eine Ideologie des Territorialtriebs, verbunden mit der Vorstellung von gesellschaftlichen Eliten und einer dafür notwendigen autoritären Politik.

Zurück zu den Reps. Ist die Zukunft der Reps von der Person Schönhubers abhängig?

Mit dem Verlust der Führungsposition Schönhubers wird die organisatorische Struktur der Reps und die rechtsextreme Infrastruktur nicht einfach dahin sein. Nach Schönhuber werden sich neue parteipolitische Formen auch über alle möglichen Zwischenstufen herausbilden, die dann wieder zu ähnlichen Wahlerfolgen kommen werden. Ob diese Partei dann Rep heißt oder sich anders nennt, ist zweitrangig.

Ist das vorhandene Potential jederzeit wieder integrierbar

-beispielsweise in die Union?

Nein. Was jetzt kurzfristig durch die Deutschland-Euphorie etwas gedämpft erscheint, wird gar nicht lange zugunsten der CDU/CSU anhalten. Die materiellen Probleme, die mit zu dem Potential beitragen, aber auch die ideologische, publizistische Infrastruktur, von der auch die Reps profitiert haben, sind ja nicht verschwunden.

Interview: Bernd Siegler