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Gabriele Tiedemann freigesprochen

Beteiligung am Opec-Überfall für das Gericht „nicht zweifelsfrei“ erwiesen / „keine unmittelbaren, eindeutigen Beweise“  ■  Aus Köln Walter Jakobs

Gabriele Tiedemann weinte Freudentränen, ihre Freundin Helmke Chiarello jubelte auf der Pressebank des Kölner Landgerichts, die Gesichter von Heinrich Albertz und Antje Vollmer strahlten vor Glück. Vier Worte des Richters Bruno Terhorst - „die Angeklagte wird freigesprochen“ - sorgten für ausgelassene Reaktionen. Minuten zuvor stand den FreundInnen der Angeklagten noch die Anspannung im Gesicht geschrieben. Die optimistische Erwartung zu Beginn des Prozesses hatte nach dem Plädoyer des Staatsanwaltes Joseph Bellinghausen, der für Gabriele Tiedemann wegen zweifachen Mordes und Geiselnahme lebenslange Haft beantragt hatte, einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Doch die Schwurgerichtskammer folgte dem Staatsanwalt nicht. Für eine Beteiligung von Gabriele Tiedemann am Opec-Überfall am 21. Dezember 1975 in Wien habe die Hauptverhandlung, so Richter Terhorst, „keine eindeutigen unmittelbaren Beweise ergeben“. Der „erheblichte Verdacht gegen die Angeklagte“ habe sich während des Prozesses „nicht zur Gewißheit verdichten lassen“. Für die Ankläger stand dagegen nach der Beweisaufnahme fest, daß Frau Tiedemann mit der einzigen Frau identisch war, die unter dem Tarnnamen „Nada“ dem sechsköpfigen Kommando unter Führung des international gesuchten Terroristen „Carlos“ angehörte. „Nada“ soll den östereichischen Kriminalbeamten Anton Tichler und den irakischen Leibwächter Al Caced Al-Khafazi aus nächster Nähe erschossen haben. Während Staatsanwalt Bellinghausen die Wiedererkennung durch Zeugen anhand von Fotobildmappen und eines Videofilmes ein paar Woche nach der Tat als überzeugende Identifizierungsbeweise wertete, hielt das Gericht diese Aussagen für unbrauchbar. Das BKA habe den Videofilm den 12 Zeugen zusammen mit der Wiener Polizei gezeigt. Alle Zeugen hätten im Chor gerufen: „Das ist sie!“ Diese Filmvorführung könne „als Beispielsfall in die Literatur eingehen, wie man es nicht machen sollte, sagte Terhorst.

„Es gibt noch weise Richter“, kommentierte Pastor Heinrich Albertz das Urteil. Zwischen Albertz und der Angeklagten Tiedemann besteht eine besondere Beziehung. Anfang 1975 gehörte Gabriele Tiedemann zu einer Gruppe von fünf inhaftierten Mitgliedern der RAF und der „Bewegung 2. Juni“, die im Rahmen der Entführung des Berliner CDU-Politikers Peter Lorenz freigepreßt und in die Volksrepublik Südjemen ausgeflogen wurden. Heinrich Albertz flog damals als Vermittler mit. Frau Tiedemann kam aus der Essener Haftanstalt, wo sie eine achtjährige Haftstrafe wegen versuchten Mordes an einem Polizeibeamten verbüßen sollte. Sie hatte sich als 21 jährige der „Bewegung 2. Juni“ angeschlossen und war nach einer Schießerei in Bochum verhaftet worden. Zur Zeit verbüßt sie die Reststrafe aus diesem Urteil. Nach der Freipressung tauchte Frau Tiedemann zwei Jahre lang unter. Am 20. Dezember 1977 wurde sie zusammen mit Christian Möller in der Schweiz beim versuchten illegalen Grenzübergang verhaftet. Ein Grenzbeamter wurde bei der Schießerei lebensgefährlich verletzt. Wegen „fehlgeschlagener Mordtat“ verurteilte ein Schweizer Gericht Frau Tiedemann zu 15 Jahren Haft. Zehn Jahre später wurde sie in die Bundesrepublik ausgeliefert. Großes Engagement, die Auslieferung früher zu erreichen, hatte die Bundesregierung nicht gezeigt. Mehr als fünf Jahre habe die Bonner Regierung „nicht für die Anwesenheit der Angeklagten in einer Hauptrverhandlung gesorgt“, rügte das Kölner Schwurgericht. Ausgeliefert worden war Tiedemann nur unter der Bedingung, daß ihr nicht wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ der Prozeß gemacht würde. Deshalb kam in Köln die Bundesanwaltschaft nicht zum Zuge.

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