„MIR KOMMT'S“

■ Tiefe Erleichterung als religiöses Grunderlebnis

Die zentrale Bedeutung eines regelmäßigen und harmonischen Stuhlgangs für den aktiven Katholiken ist in der bisherigen Forschung leider viel zuwenig berücksichtigt worden. Das mag auch damit zusammenhängen, daß in den südlichen Bundesländern kaum noch Außenklos zu finden sind, die eine präzise Feldforschung erleichtern würden. Auch aus falscher Scham wird über das größte Geheimnis des Katholizismus nicht gesprochen. Es ist für ungläubige und protestantische Menschen nicht zu ermessen, wie wichtig der tägliche Gang zur Toilette für alle Katholiken ist. Denn nur auf der Klobrille ist der Gläubige mit seinem Gott allein. Hier läßt er die Hosen runter und alles raus, was ihn bedrückt. Und so wird die Toilette für den bekennenden Katholiken zu einem Ort der höchsten Wonnen.

Infolge des recht menschlichen Liebeslebens, das immer mehr zu einem reizlosen Vollzug der ehelichen Pflichten geworden ist, konzentriert sich die individuelle Lustsuche auf die wenigen Minuten im Lokus. Die räumliche Situation ähnelt ja frappierend der bei der Beichte. Alles, was der katholische Mensch den lieben langen Tag zu sich genommen hat, wird nun der Kloschüssel anvertraut. Und die schweigt wie ein Grab. Die tiefe Erleichterung, ja Erlösung von den irdischen Beschwerungen äußert sich oft in einem gepreßten Grunzen oder hingestammelten Stoßgebeten, die in katholischen Ehebetten naturgemäß nicht mehr zu hören sind: „Ja, mir kommt's“, „Ah, schön langsam“ oder gar der ekstatische Ausruf „Heilige Mutter Gottes!“ Inniger kann die Gottesfurcht nicht ausgedrückt werden. Hinzu kommt, daß in dieser existentiellen Einsamkeit des Stuhlganges, des völligen Bei-sich-Seins des Gläubigen, auch die Schlacken des gemeinschaftlich genossenen Abendmahls entsorgt werden. Diese geradezu lutherische Geworfenheit deuten viele Kritiker schon voreilig als Abwendung von der katholischen Gemeinde.

Doch soll niemand an solchen Vorwürfen irre werden. Der tägliche Gang zur Toilette hat seinen festen Platz im Leben eines Katholiken. Und für etwaige unerlaubte Verzückungen während des Stuhlgangs, die nicht gottgefällig sind, kann sich der Gläubige umgehend geißeln, indem er besonders rauhes und holzhaltiges Toilettenpapier benutzt.

Olga O Groschen