Akahito bedauert Leiden der Koreaner

■ Roh Tae Woo zu Staatsbesuch in Japan / Extreme Sicherheitsvorkehrungen und Proteste in Seoul und Tokio

Seoul (taz/afp) - Erstmals hat sich ein japanischer Kaiser in aller Öffentlichkeit bei dem koreanischen Volk für die 35jährige Kolonialisierung der Halbinsel durch Japan entschuldigt. Bei dem Staatsbesuch des südkoreanischen Präsidenten Roh Tae Woo in Tokio übernahm Kaiser Akihito am Donnerstag die Verantwortung für die Kolonialzeit. In seiner Rede während des Staatsbanketts zu Ehren Rohs sagte der Kaiser: „Ich denke an das Leiden, das während dieser unglücklichen Periode von meinem Land über Ihr Volk gebracht wurde, und kann darüber nur das tiefste Bedauern fühlen. Der Staatsbesuch hatte unter beispiellosen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Denn auch in Japan hatten sowohl rechts- als auch linksradikale Terroristen angekündigt, die dreitägige Visite zu einem Debakel werden zu lassen. Die einen weil sie keine Entschuldigung, die anderen weil sie keine „ostasiatische Wohlstandszone“ wollen. Mit besonderer Spannung wird nun erwartet, welche Formulierungen Kaiser Akihito während des Besuchs findet, um das immer noch äußerst gespannte Verhältnis zwischen beiden Ländern zu versachlichen. Der Anfang letzten Jahres verstorbene Kaiser Hirohito hatte bis zum Schluß jede Andeutung eines Schuldbekenntnisses für die japanische Unterjochung des kleineren Nachbarlandes vermieden. Verhandlungsgegenstand wird außerdem der rechtliche Status der in Japan ansässigen Koreaner sein.

Bereits Ende vergangenen Monats hatten sich in Seoul die Außenminister der beiden Länder getroffen, um dieses für beide Seiten heikle Thema im Vorfeld zu klären. Der positive Ausgang der Verhandlungen galt als Voraussetzung für Roh Tae Woos Japanbesuch.

Rund 700.000 Koreaner leben zur Zeit in Japan. Sie alle mußten sich bislang den sogenannten vier „bösen Vorschriften“ beugen, die das japanische Ausländergesetz vorschreibt. Dazu zählen das Abnehmen von Fingerabdrücken, der Besitz eines besonderen Ausländerausweises, die Ausweisungsbefugnis bei Straftaten sowie ein kompliziertes Wiedereinreiseverfahren. Als besonders demütigend empfinden es die Koreaner dabei wie ganz normale Ausländer behandelt zu werden. Handelt es sich doch vorwiegend um Nachkommen der während des Zweiten Weltkrieges zu Tausenden nach Japan zwangsverschleppten Koreaner.

Für die Koreaner der dritten Generation hat sich mittlerweile der Status verbessert. „Doch was ist mit den Koreanern der ersten und zweiten Generation?“, fragen seit Tagen die koreanischen Medien. Und mit Bitterkeit erinnern sie dabei an das Leid, daß Japan seinem Nachbarn in den 35 Jahren seiner Kolonialherrschaft (1910 bis 1945) zugefügt hat. Erinnert wird auch an die koreanischen Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki und an die Überlebenden dieser Katastrophe, die von den japanischen Behörden bisher kaum unterstützt wurden. „Die emotionale Kluft zwischen den beiden Ländern ist weit größer als die 40 Meilen breite Korea-Straße, die sie geographisch voneinander trennt“, heißt es in einer koreanischen Veröffentlichung. Daran hat sich auch nach der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1965 wenig geändert. Noch immer ist „ilbon-saram“, zu deutsch „Japaner“, ein übles Schimpfwort auf der Halbinsel. Aus Furcht, die Jugend könne an japanischer Rockmusik oder an japanischen Fernsehfilmen Gefallen finden, sendet man diese gar nicht erst. Zu groß wäre wohl auch der Widerstand der älteren Generation, die bis dato darauf gewartet hat, daß sich Japan für seine Greueltaten offiziell entschuldigt.

„Die Japaner sollten dem Beispiel der Deutschen folgen, die sich aufrichtig für ihr Massaker an den rund sechs Millionen Juden entschuldigten“, schrieb eine Seouler Tageszeitung und erinnert ihre Leser an Willy Brandt, der 1970 in Warschau niederkniete, um um Verzeihung zu bitten. Mit Interesse wurde auch vermerkt, daß sich die neue Regierung in Ost -Berlin bereits offiziell für die Ermordung und Verfolgung der Juden entschuldigt hat.

Zuvor schon hatte Ministerpräsident Kaifu die japanische Besetzung des südostasiatischen Raums im zweiten Weltkrieg öffentlich als Invasion anerkannt. Korea hat seine Bereitschaft zur Aussöhnung gezeigt, als Roh Tae Woo die geplanten Reisen nach den USA, Kanada und Mexiko wegen der gegenwärtigen innerpolitischen Schwierigkeiten absagte, zugleich aber an dem Japanbesuch festhielt.

Sandra Uschtrin