„Parteispenden von Unternehmen müssen verboten werden“

Dieter Spöri, ehemaliges SPD-Mitglied im Flick-Untersuchungsausschuß und SPD-Fraktionsvorsitzender, über die Parteispendenaffäre  ■ I N T E R V I E W

taz: In Stuttgart steht mit Hans Merkle ein Unternehmer wegen Steuerhinterziehung vor Gericht, den diejenigen, in deren Kassen das Geld geflossen ist, im Regen stehenließen. Müßten nicht prominente Landespolitiker mit Merkle die Anklagebank drücken?

Dieter Spöri: Bei der juristischen Aufarbeitung der baden -württembergischen Parteispendenaffäre wird eine eindeutige Schlagseite sichtbar: Bei ein und demselben Vorgang sind die Spender strafrechtlich betroffen, während auf Empfängerseite die Polit-Prominenz überhaupt nicht belangt wurde. Das Rechtsbewußtsein muß dadurch erschüttert werden - gerade wenn Spitzenpolitiker auf wundersame Weise durch das Greifen von Verjährungsfristen nicht mehr belangt werden können. Dazu hat man in Frankreich ein Amnestiegesetz gebraucht, das dort die Republik beben läßt.

Nun haben die Politiker bei der Industrie nicht nur massiv um Gelder geworben, sondern anscheinend auch den Eindruck suggeriert, diese Art von Parteienfinanzierung sei rechtens.

Dafür spricht nach dem bisherigen Prozeßverlauf vieles. Aber während auf Bundesebene immerhin noch gegen CDU -Schatzmeister Walter Leisler Kiep verhandelt wird und ein Politiker wie Graf Lambsdorff verurteilt wurde, spielen sich in Baden-Württemberg merkwürdige Dinge ab. Da wird von der Staatsanwaltschaft erwogen, es gar nicht erst zu einem Prozeß gegen den ehemaligen CDU-Schatzmeister Neuhaus kommen zu lassen, sondern die Geschichte mit einem Strafbefehl einfach zu beerdigen. Das würde elegant verhindern, daß eine ganze Latte prominenter Landespolitiker nicht mehr als Zeugen vor Gericht im Zusammenhang mit heute peinlichen Vorgängen erscheinen müßten. Das hätte auch den Effekt, daß das Klima für weitere Spendentätigkeit in einem Bundestagswahljahr wieder verbessert würde.

Nach Ihren Zeugenaussagen haben sich Ministerpräsident Späth und sein Amtsvorgänger Filbinger einer Mittäterschaft bei den Merkle zur Last gelegten illegalen Parteispenden verdächtig gemacht.

Das Gericht geht von einem Verdacht der Tatbeteiligung bei diesen Politikern aus und hat deshalb eine Vereidigung der beiden Zeugen abgelehnt, um sie selbst vor Meineid zu schützen. Aber der staunende Beobachter fragt sich doch, warum ein Richter in Kenntnis der Aktenlage aus dem Stand heraus zu dem Schluß kommt, daß Verdachtsmomente vorliegen, wenn auf der anderen Seite eine Staatsanwaltschaft, die seit Jahren ermittelt, niemals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Das ist wiederum ein merkwürdiger Widerspruch, der in Baden-Württemberg bei der Aufarbeitung der Pateispendenaffäre besonders ausgeprägt scheint.

Ministerpräsident Späth hat vor Gericht erklärt, daß die Kaskadenfinanzierung, also die Umleitung von Spendengeldern über Geldwaschanlagen, von ihm als CDU-Landesvorsitzenden abgestellt worden sei. Steht Späth jetzt mit einer weißen Weste da?

Ich möchte mir kein moralisierendes Urteil über weiße Westen erlauben. Es geht darum, daß in diesem Punkt die Aussagen von Herrn Späth und die faktischen Abläufe nicht in Einklang zu bringen sind. Es ist belegt, daß die von ihm angeblich abgestellte Kaskaden-Finanzierung der Landes-CDU über Geldwaschanlagen bis 1981 weiter betrieben wurde. Und sie hatte 1980 eine besondere Bedeutung, als die CDU unter großen Finanzschwierigkeiten litt. Das paßt einfach nicht zusammen. Diesen Widerpruch müßte Herr Späth einmal aufklären.

Alle Beteiligten betonen immer wieder, daß sie die Parteispendengelder als legitime Unterstützung für ihre Aufgaben betrachten. Gerät da nicht die politische Moral unter die Räder?

Ich möchte mich nicht auf die burlesken Begründungen eines Herrn Filbinger einlassen, der gemeint hat, mit den Spenden der Industrie sollte die CDU gestärkt werden, um die „Kulturrevolution“ in der Bundesrepublik zu verhindern. Das ist mehr eine Kabarettnummer.

Es gibt einen anderen, viel wichtigeren Aspekt, der völlig vergessen wird: Es geht nicht nur um den Straftatbestand der Steuerhinterziehung, der Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, sondern auch um die Gefahr der Verquickung ökonomischer und politischer Macht. Es geht um die Gefahr, daß einzelne mit Geld über die Parteienfinanzierung mehr politischen Einfluß in der Demokratie ausüben können als Tausende oder Hunderttausende von Bürgern. Das ist das Hauptproblem der Parteispendenaffäre.

Wie soll das verhindert werden?

Es muß nicht nur juristisch, sondern auch politisch eine Konsequenz daraus gezogen werden. Meiner Meinung nach muß eine unüberwindbare Sperre gegen eine Verquickung von großem Geld und politischen Entscheidungen in die Parteienfinanzierung eingebaut werden. Spenden von Unternehmen und Verbänden müßten generell verboten werden. Ich würde dagegen nur die Bürgerspende mit festem Höchstbetrag zulassen, der für alle gleich ist - in einer Größenordnung, die nicht zu einer gefährlichen Einflußnahme führen kann und staatsbürgerliches Engagement ausdrückt. Das scheint mir das geeignete Blockadeinstrument gegen die immer wieder drohende Gefahr einer Deformation der Demokratie zu einer Staatsform des großen Geldes zu sein.

Interview: Erwin Single